Meine geheime Autobiographie - Textedition
mit offener Flamme unter Deck gegangen, um aus einem Fass etwas Firnis zu zapfen.Das zu erwartende Resultat stellte sich ein, und die Stunden des Schiffes waren gezählt.
Es war keine Zeit zu verlieren, aber der Kapitän machte das Beste daraus. Die drei Boote wurden zu Wasser gelassen – ein Beiboot und zwei Rettungsboote. Dass kaum noch Zeit war und erhebliche Eile und Aufregung herrschten, wird daraus ersichtlich, dass aufgrund eines Zusammenstoßes beim Aussetzen der Boote ein Loch in die Seitenwand des einen geschlagen und ein Ruder durch die Seitenwand eines anderen gerammt wurde. Die erste Sorge des Kapitäns galt vier kranken Seeleuten, die an Deck in Sicherheit gebracht wurden – unter ihnen ein Portugiese. Während der gesamten Reise hatte der Mann keine Arbeit verrichtet, sondern vier Monate lang in seiner Hängematte gelegen und einen Abszess auskuriert. Als wir im Krankenhaus von Honolulu Notizen machten und ein Matrose Mr. Burlingame davon erzählte, hob der Dritte Maat, der in der Nähe lag, unter Mühen den Kopf und brachte – feierlich und mit Gefühl – die folgende Berichtigung an:
»Hat Abszesse
großgezogen
; hatte ’ne ganze Familie davon. Hat er gemacht, um sich vor dem Wacheschieben zu drücken.«
Aller Proviant, der zur Hand war, wurde von den Matrosen und den beiden Passagieren eingesammelt und aufs Deck geworfen, wo schon der Portugiese lag, dann eilten sie fort, um noch mehr zu holen. Der Matrose, der Mr. Burlingame davon erzählte, fügte hinzu:
»Auf diese Art stellten wir für einunddreißig Männer Rationen für zweiunddreißig Tage zusammen.«
Der Dritte Maat hob erneut den Kopf und nahm voller Erbitterung eine weitere Korrektur vor:
»Zweiundzwanzig davon hat der Portugiese gegessen, wie er so dalag, und keiner hat’s gemerkt. Der vermaledeite Hund.«
Das Feuer breitete sich mit großer Geschwindigkeit aus. Der Rauch und die Flammen trieben die Männer zurück, sie mussten die Proviantbeschaffung abbrechen und hatten, als sie die Boote bestiegen, nur Rationen für zehn Tage sichern können.
Alle Boote verfügten über einen Kompass, einen Quadranten, ein Exemplar von Bowditchs
Navigator
und einen nautischen Almanach, die Boote desKapitäns und des Ersten Maats außerdem über Chronometer. Alles in allem waren es einunddreißig Männer. Der Kapitän erstellte ein Inventar der Vorräte, mit folgendem Ergebnis: vier Schinken, fast dreißig Pfund gepökeltes Schweinefleisch, eine halbe Kiste Rosinen, hundert Pfund Brot, zwölf Zwei-Pfund-Dosen Austern, Muscheln und verschiedene Sorten Fleisch, ein Fass mit vier Pfund Butter, zwölf Gallonen Wasser in einem Vierzig-Gallonen-Fass, vier Ein-Gallonen-Korbflaschen Wasser, drei Flaschen Brandy (Eigentum der Passagiere), einige Pfeifen, Streichhölzer und hundert Pfund Tabak. Keine Medikamente. Natürlich musste die ganze Gesellschaft sofort auf kleine Rationen gesetzt werden.
Der Kapitän und die beiden Passagiere führten Tagebuch; auf unserer Reise nach San Francisco gerieten wir mitten auf dem Pazifik in eine Flaute und kamen vierzehn Tage lang nicht einmal fünf Meter voran; das gab mir die Gelegenheit, die Tagebücher abzuschreiben. Das von Samuel Ferguson ist am vollständigsten; aus ihm möchte ich jetzt zitieren. Als die folgenden Absätze geschrieben wurden, befand sich das Schiff schon seit etwa hundertzwanzig Tagen auf See, wie üblich lagen alle Mann auf der faulen Haut, und keiner sah die Katastrophe kommen:
2. Mai
. Breite 1° 28’ N; Länge 111° 38’ W. Wieder ein heißer und lustloser Tag; doch einmal verhießen die Wolken Wind, und es kam eine leichte Brise auf – gerade ausreichend, um uns voranzubringen. Das Einzige, was sich heute aufzuzeichnen lohnt, sind die Unmengen Fisch um uns herum: Heute Morgen wurden neun Bonitos gefangen und einige große Weiße Thunfische gesichtet. Nach dem Mittagessen angelte der Erste Maat einen Burschen, den er nicht einholen konnte, da ließ er die Leine zum Kapitän treiben, der am Bug stand. Der griff zu, holte den Fisch mit einem Ruck herauf, die Leine riss, und Fisch und Haken waren verschwunden. Achtern sahen wir auch einen riesigen Hai, der träge hinter uns her schwamm und an die drei Meter lang gewesen sein muss. Wir versuchten, ihn mit allen möglichen Angelleinen und einem Stück Schweinefleisch zu fangen, aber er wollte nicht anbeißen. Ich vermute, er hatte seinen Appetit bereits an den Köpfen und den sonstigen Resten der Bonitos gestillt, die wir über
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