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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Zeit verlieren. Vier Stunden verbrachte ich damit, die Notizen in die richtige Reihenfolge zu bringen, dann schrieb ich die ganze Nacht hindurch bis in die Morgenstunden; mit dem Ergebnis, dass um neun Uhr morgens ein langer detaillierter Bericht über den Zwischenfall auf der
Hornet
vorlag, während die Korrespondenten der San Franciscoer Zeitungen nur über einen kurzen Abriss verfügten – da sie nicht aufgeblieben waren. Der Kurierschoner sollte gegen neun Uhr nach San Francisco segeln; als ich am Kai ankam, war er vorn schon frei, gerade wurde die Achterleine gelöst. Eine kräftige Hand schleuderte meinen dicken Umschlag an Bord, wo er sicher auf den Planken landete, und der Sieg war mir gewiss. Pünktlich erreichte das Schiff San Francisco, und mein vollständiger Bericht sorgte für Aufsehen und wurde an die Zeitungen in New York telegraphiert. Und zwar von Mr. Cash, der damals für das Pazifikbüro des
New York Herald
zuständig war.
    Als ich bald darauf nach Kalifornien zurückkehrte, fuhr ich nach Sacramento und präsentierte eine Rechnung über zwanzig Dollar die Woche für allgemeine Korrespondenz. Sie wurde anstandslos bezahlt. Dann präsentierte ich eine Rechnung für »besondere« Dienste in puncto
Hornet
, drei solide Spalten Nonpareille zu
hundert Dollar die Spalte
. Der Kassierer fiel zwar nicht in Ohnmacht, war aber nahe daran. Er schickte nach den Eigentümern, und diese kamen und erhoben keine Einwände. Auf ihre fröhliche Art lachten sie nur und sagten, das sei zwar Beutelschneiderei, aber sei’s drum, es sei ein großer »Scoop« (ob die Rechnung oder mein Bericht über die
Hornet
, wusste ich nicht). »Zahlen Sie nur, es geht in Ordnung.« Die besten Männer, die je eine Zeitung besessen haben.
    Die Überlebenden der
Hornet
erreichten die Sandwichinseln am 15. Juni. Sie waren nur noch Haut und Knochen; ihre Kleidung hing schlaff an ihnen herab wie bei Windstille eine Flagge von ihrem Mast. Aber im Krankenhaus wurden sie gut betreut; die Einwohner von Honolulu versorgten sie mit allen Leckerbissen, deren sie bedurften; schnell kamen sie zu Kräften und waren bald wieder ganz hergestellt. Binnen vierzehn Tagen nahmen diemeisten von ihnen das Schiff nach San Francisco, das heißt, wenn die Daten in meiner Erinnerung nicht durcheinandergeraten sind. Ich fuhr mit demselben Schiff, einem Segler. Kapitän Mitchell von der
Hornet
war auch dabei, ebenso die einzigen Passagiere, die die
Hornet
befördert hatte, zwei junge Gentlemen, Brüder aus Stanford, Connecticut: Samuel Ferguson, achtundzwanzig Jahre alt, Absolvent des Trinity College Hartford, und Henry Ferguson, achtzehn Jahre alt, Student an demselben College und jetzt, da ich dies schreibe, Professor ebenda, was er nun schon seit vielen Jahren ist. In diesem Jahr – 1898 – wird er fünfzig. Samuel hatte einige Jahre an Schwindsucht gelitten, und die lange Reise um das Kap Hoorn, so war ihm angeraten worden, sei seine letzte Chance. Die
Hornet
war ein Klipper erster Klasse und ein schneller Segler, das Quartier der jungen Männer geräumig und komfortabel, zudem gut bestückt mit Büchern und Fleisch- und Obstkonserven zur Ergänzung der Schiffsverpflegung; und als das Schiff in der ersten Januarwoche vom New Yorker Hafen in See stach, sah es ganz so aus, als würde es die vierzehn- oder fünfzehntausend Meilen, die vor ihm lagen, schnell und gut hinter sich bringen. Sobald das Schiff die kalten Breiten hinter sich gelassen hatte und in sommerlichem Wetter dahinfuhr, wurde die Reise zu einem Ferienpicknick. Unter einer Wolke von Segeln, die tagelang keiner Aufmerksamkeit und keiner Veränderungen bedurften, flog das Schiff gen Süden; die jungen Männer lasen, schlenderten auf dem geräumigen Deck auf und ab, ruhten sich aus, dösten im Schatten der Leinwände und nahmen ihre Mahlzeiten mit dem Kapitän ein; und wenn der Tag sich seinem Ende neigte, spielten sie mit ihm bis zum Schlafengehen Dummy Whist. Nach dem Schnee, dem Eis und den Sturmwinden am Kap Hoorn gelangte das Schiff auf nördlichem Kurs wieder in sommerliches Wetter, und die Reise wurde abermals zu einem Picknick.
    Bis zum frühen Morgen des 3. Mai. Errechnete Schiffsposition: 112 º 10’ westlicher Länge, Breite zwei Grad über dem Äquator; kein Wind, kein Seegang – absolute Windstille; Lufttemperatur tropisch, glühend heiß, unvorstellbar für jeden, der noch nie darin geschmort hat. Dann der Ruf »Feuer!«. Ein treuloser Seemann hatte die Regeln missachtet und war

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