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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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(somit neun im Boot, er selbst mit eingerechnet). Sie segelten davon, und bei Sonnenuntergang waren sie außer Sicht. Dem Tagebuchschreiber tat es leid, sie davonsegeln zu sehen. Das war nur natürlich; auf den Portugiesen hätte man eher verzichten können. Noch nach zweiunddreißig Jahren spüre ich, wie meine Vorurteile gegen den Portugiesenwiedererwachen. Sein Aussehen ist mir längst entfallen, aber ich hasse ihn mit derselben Inbrunst wie eh und je. »Wasser wird Mangelware werden; denn wenn wir die Kalmenzone verlassen, werden uns die Passatwinde nur noch gelegentliche Regenschauer schicken. Dieses Leben zehrt sehr an meinen Kräften. Henry hält sich ausgezeichnet.« Zu Anfang ging es Henry nicht gut, in Unbill dagegen gleich besser.
    Breite Sonntag, 20. Mai, 12 º 0’ 9’’. Inzwischen müssten sie die Kalmen weit hinter sich gelassen haben, aber dem ist nicht so. Keine Brise – die herbeigesehnten Passatwinde bleiben aus. Noch immer halten sie verzweifelt nach einem Segel Ausschau, haben aber nur »Visionen von Schiffen, die nicht Wirklichkeit werden – Schatten ohne Substanz«. An diesem Nachmittag fängt der Zweite Maat einen Tölpel, einen Vogel, der hauptsächlich aus Federn besteht, aber »da sie kein anderes Fleisch haben, muss es reichen«.
    21. Mai, endlich stoßen sie auf die Passatwinde! Der Zweite Maat fängt drei weitere Tölpel und gibt einen davon an das Beiboot ab. Abendessen »eine halbe Dose Hackfleisch, die aufgeteilt und ausgegeben wird, was uns ein wenig stärkt«. Ein Mann ist ständig damit beschäftigt, Wasser auszuschöpfen; das Loch, das ins Boot geschlagen worden war, als es von dem brennenden Schiff zu Wasser gelassen wurde, ist nie richtig geschlossen worden. »Halten jetzt Kurs Nordwest.« Sie hoffen, Ostwert zu haben, um es bis zu einer der unbestimmten Inseln zu schaffen. Sollte ihnen das misslingen, glauben sie, eine bessere Ausgangsposition zu haben, um von einem Schiff aufgenommen zu werden. Eine verschwindend geringe Chance, aber vermutlich lässt der Kapitän das unerwähnt.
    Der nächste Tag sollte ein ereignisreicher Tag werden.
     
    22. Mai
. In der letzten Nacht brachte uns der Wind vom Kurs ab, so dass wir teilweise Ostsüdost, dann Westnordwest und so weiter steuern mussten. Heute Morgen wurden wir alle von dem Ruf
»Schiff ahoi!«
aufgerüttelt. Und tatsächlich, wir konnten es sehen! Wir machten das Boot des Zweiten Maats vorübergehend los und hielten auf das Schiff zu, um seine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Das war gegen halb sechs morgens. Nachdem wir in einem Zustand höchster Erregung fast zwanzig Minuten lang dahingesegelt waren, erkannten wir, dass es das Boot desErsten Maats war. Natürlich waren wir froh, sie zu sehen und zu hören, dass es allen gutging; dennoch war es eine herbe Enttäuschung für uns alle. Nun, da wir in den Passatwinden sind, scheint es unmöglich, weit genug nach Norden zu kommen, um an den Inseln anzulanden. Wir haben beschlossen, unser Bestes zu geben, um zur Schifffahrtsroute zu gelangen. So stark war unsere Entschlossenheit, dass es notwendig wurde, sich auch von dem anderen Boot zu trennen, was nach erheblichen Auseinandersetzungen dann auch geschah. Wir teilten Wasser und Vorräte abermals auf und nahmen Cox zu uns ins Boot. Das erhöhte unsere Zahl auf fünfzehn. Die Mannschaft des Zweiten Maats wollte zu uns kommen und das andere Boot aufgeben. Es war eine sehr schmerzhafte Trennung.
     
    Die Inseln, die zu erreichen sie sich so lange und so hoffnungsvoll abgemüht haben, müssen also aufgegeben werden. Mit lügnerischen Vögeln, die nur herbeigeflogen kommen, um sie zu verspotten, mit Inseln, die nur ein Traum sind, mit »Visionen von Schiffen, die nicht Wirklichkeit werden«, durchleben sie eine klägliche Zeit, die ihnen das Herz bricht. Merkwürdig, dass das entschwundene Boot, das sie in der ungeheuren Einsamkeit drei Tage lang aus den Augen verloren hatten, wieder aufgetaucht war. Aber es hatte ihnen Cox beschert – warum, wissen wir nicht. Aber wäre es nicht so gewesen, der Tagebuchschreiber hätte nie wieder Land gesehen.
     
    23. Mai.
Unsere Chancen, aufgelesen zu werden, steigen, je weiter wir nach Westen segeln, gleichzeitig verringern sich mit jedem Tag unsere kargen Bestände. Ohne die Fische, Schildkröten und Vögel, die uns der Himmel schickt, weiß ich nicht, wie wir es bis hierher geschafft hätten. Gestern habe ich mich erboten, für den Kapitän morgens und abends Gebete zu sprechen, und gestern

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