Meine geheime Autobiographie - Textedition
Abend damit begonnen. Obwohl die Männer verschiedenen Nationalitäten und Bekenntnissen angehören, sind sie sehr aufmerksam und nehmen jedes Mal die Kopfbedeckung ab. Möge Gott meinen schwachen Bemühungen Erfolg gewähren!
Breite, 24. Mai, 14 º 18’ N. Zum Abendessen pro Mann fünf Austern, drei Löffel Saft, ein Zehntelliter Wasser und ein Stück Zwieback von der Größe eines Silberdollars. »Wir werden deutlich schwächer – möge Gott uns allengnädig sein!« In dieser Nacht schlagen von der Luvseite schwere Brecher in das Boot, alles ist nass und unbehaglich, außerdem muss ständig Wasser ausgeschöpft werden.
Am nächsten Tag »geschah nichts Außergewöhnliches«. Einige von uns hätten das vielleicht anders gesehen. »Kamen an einer Spiere vorbei, aber nicht nahe genug, um zu erkennen, was es war.« Sie sahen einige Wale blasen; Fliegende Fische glitten über die Wasseroberfläche, aber keiner landete an Bord. Diesiges Wetter mit feinem Regen, der alles durchdringt.
Breite, 26. Mai, 15 º 50’. Sie fingen einen Fliegenden Fisch und einen Tölpel, mussten sie jedoch roh verspeisen. »Die Männer werden schwächer und, wie ich glaube, verzagt; sie sagen sehr wenig.« Und so kommt zu all den vorstellbaren und unvorstellbaren Schrecknissen auch noch das Schweigen hinzu! Das stumme Brüten der nahenden Verzweiflung. »Unsere beste Chance scheint darin zu bestehen, in die Fahrrinne von Schiffen zu gelangen und darauf zu hoffen, dass jemand nahe genug an unserer Position vorbeifährt, um uns zu sehen.« Er hofft, dass die anderen Boote in westliche Richtung gefahren und aufgelesen worden sind. [In dieser Welt wird man nie wieder von ihnen hören.]
Sonntag, 27 Mai
. Breite 16° 0’ 5’’; Länge dem Chronometer zufolge 117° 22’. Unser vierter Sonntag! Als wir das Schiff verließen, hatten wir uns ausgerechnet, Vorräte für etwa zehn Tage zu haben, und jetzt hoffen wir, sie möglichst durch strenge Sparsamkeit eine weitere Woche strecken zu können. 29 In der letzten Nacht war die See vergleichsweise ruhig, aber der Wind trieb uns nach Westnordwest, was auch heute den ganzen Tag in etwa unser Kurs gewesen ist. Gestern Abend landete ein weiterer Fliegender Fisch an Bord und heute noch einer – beide klein. Keine Vögel. Ein Tölpel ist ein großartiger Fang, und ein richtig großer ergibt ein kleines Abendessen für uns fünfzehn – aber auch nicht mehr als ein Abendessen, wie sie hier im Beiboot der
Hornet
üblich sind. Habe heute Morgen versucht, für mich selbst den vollen Gottesdienst mit Abendmahl zu lesen, fand es jedoch zu anstrengend; bin zu schwach, werde schläfrig und kann mich nicht konzentrieren, weshalb ich die zweite Hälfte auf heute Nachmittag verschoben habe. Ich vertraue darauf, dassGott die Gebete hört, die für uns heute daheim gesprochen wurden, und dass er sie gnadenreich beantworten wird, indem er uns Hilfe und Beistand schickt in dieser unserer tiefen Not.
Der nächste Tag war ein guter Tag, »um ein Schiff zu sehen«. Gesichtet wurde aber keins. Der Tagebuchschreiber »fühlt sich noch immer ziemlich wohlauf«, wenn auch schwach; sein Bruder Henry »hält sich tapfer und schont seine Kräfte wie nur irgendeiner an Bord«. »Ich fühle mich nicht verzagt, denn ich vertraue ganz darauf, dass der Allmächtige unsere und die Gebete daheim erhören wird und dass Er, ohne den kein Sperling auf die Erde fällt, uns sieht und sich um uns, Seine Geschöpfe, kümmert.«
Wenn man die Situation und die Umstände berücksichtigt, ist der Eintrag des nächsten Tages – 29. Mai – einer, der Überraschungen für all jene einfältigen Leute bereithält, die glauben, dass nur Arzneien und Ärzte Kranke heilen können. In Wahrheit kann ein wenig Hunger für den durchschnittlichen Kranken mehr bewirken als die besten Arzneien und die besten Ärzte. Damit meine ich nicht etwa eingeschränkte Diät, ich meine
die völlige Enthaltung von Nahrung für ein oder zwei Tage
. Ich spreche aus Erfahrung; Hunger ist seit fünfzehn Jahren mein Arzt für Erkältungen und Fieber und hat in allen Fällen eine Gesundung bewirkt. In Honolulu erzählte mir der Dritte Maat, dass der Portugiese monatelang in seiner Hängematte gelegen, seine Familie von Abszessen großgezogen und dabei wie ein Kannibale gegessen habe. Wir haben gesehen, dass er trotz des schrecklichen Wetters, Schlafentzugs, glühender Hitze, Nässe und allen möglichen Elends nach dreizehn Tagen des Hungerns »wunderbar
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