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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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können.
     
    Brot und Rosinen vollständig aufgebraucht. –
Logbuch des Kapitäns
.
     
    Die Männer werden furchtbar unzufrieden, und es erhebt sich schreckliches Gemurre und unerquickliches Gerede. Möge Gott uns vor allem menschlichen Streit bewahren; und falls wir jetzt sterben müssen, möge Er uns zu sich nehmen und unseren bitteren Tod nicht noch bitterer machen. –
Henrys Logbuch
.
5. Juni
. Eine ruhige Nacht und ein recht behaglicher Tag, obwohl Segel und Block Anzeichen der Morschheit zeigen und eingeholt werden müssen – Letzteres ist eine mühsame Aufgabe, weil man dazu auf den Mast klettern muss. Außerdem hatten wir schlechte Nachrichten vom vorderen Teil des Bootes, wo Unzufriedenheit herrscht und es bedrohliche Beschwerden wegen ungerechter Zuteilungen usw. gibt, was ebenso unsinnig wie töricht ist; dennoch mahnen uns diese Dinge, auf der Hut zu sein. Allmählich bin ich elend und schwach, aber ich versuche durchzuhalten, so gut ich kann. Wenn wir die Inseln nicht finden, können wir nur noch versuchen, nach Nordwesten zu segeln, auf die Route zu gelangen, die die Schiffe zu den Sandwichinseln nehmen, und uns bis dahin, so gut es geht, am Leben zu erhalten. Heute habe wir auf
eine
Mahlzeit umgestellt, und die findet um die Mittagszeit statt, mit einer kleinen Ration Wasser um 8 oder 9 Uhr morgens, einer weiteren um 12 Uhr mittags und einer dritten um 5 oder 6 Uhr abends.
     
    Nichts mehr übrig als ein kleines Stück Schinken und ein Zehntelliter Wasser für alle. –
Logbuch des Kapitäns
.
     
    Inzwischen sind sie bei einer Mahlzeit angelangt – wenn man es Mahlzeit nennen kann – und
haben noch fünfzehnhundert Meilen vor sich!
Und die Schrecken werden größer. Die Rede ist von Mord und Totschlag. Und nicht nur das, Schlimmeres noch – Kannibalismus. Jetzt scheinen wir zu begreifen, weshalb sich lange vorher jener merkwürdige Zwischenfall zugetragen hatte: Ich meine die Rückkehr von Cox, der im Boot des Ersten Maats mehrere Tage lang weit entfernt und außer Sicht gewesen war. Wäre er nicht zurückgekehrt, der Kapitän und die beiden jungen Passagiere wären von diesen Matrosen, die durch ihr Leiden zu Wahnsinnigen geworden waren, umgebracht worden.
     
    Notiz, von Henry heimlich seinem Bruder zugesteckt:
    »Gestern Abend erzählte mir Cox, dass es unter den Männern eine Menge hässlichen Geredes gegen den Kapitän und uns achtern geben werde. Besonders Harry, Jack und Fred. Sie sagen, Ursache von allem sei der Kapitän – er habe nicht einmal versucht, das Schiff zu retten oder Proviant zu beschaffen, und den Männernnicht erlaubt, etwas von dem mitzunehmen, was sie bei sich hatten, und wir im Heck würden bei der Verteilung der Rationen bevorzugt. Vor ein paar Tagen fragte ihn Jack, ob er eher verhungern als Menschenfleisch essen würde. Cox antwortete, er würde eher verhungern. Daraufhin sagte Jack zu ihm, er würde also lieber sich selbst umbringen. Wenn wir die Inseln nicht finden, täten wir gut daran, uns auf alles vorzubereiten. Das größte Mundwerk von allen hat Harry.«
    Antwort
. – »Ich glaube, auf Charley, Thomas und Cox können wir uns verlassen, oder nicht?«
    Zweite Notiz
. – »Ich glaube schon, sehr wahrscheinlich auch auf Peter – aber das weiß man nicht. Auf Charley und Cox bestimmt. Soweit ich Cox verstehe, ist bislang noch nichts Endgütiges gesagt oder auch nur angedeutet worden; aber hungernde Männer sind wie Wahnsinnige. Es wäre gut, unsere Pistole im Auge zu behalten, damit sie und die Patronen vor Diebstahl sicher sind.«
    Henrys Logbuch, 5. Juni
. »Furchtbare Vorahnungen. Bewahre uns Gott vor solchen Schrecken! Einige der Männer reden viel. Nichts weiter aufzuschreiben. Sehr bekümmert.«
    Henrys Logbuch, 6
.
Juni
. »Sind an Seetang vorbeigekommen und an etwas, was aussah wie ein alter Baumstamm, aber keine Vögel; fürchten allmählich, dass es die Inseln nicht gibt. Heute wurde dem Kapitan in Hörweite aller gesagt, einige der Männer würden nicht davor zurückschrecken, das Fleisch eines toten Mannes zu verzehren, aber töten würden sie ihn nicht. Entsetzlich! Möge Gott uns allen den vollen Gebrauch unseres Verstandes ermöglichen und uns vor solchem Ungemach verschonen! Vor Sturm und Ungewitter; vor Seuche, Pestilenz und theurer Zeit; vor Krieg und Blutvergießen; vor bösem, schnellem Tod: Behüt uns, lieber Herr.«
     
    6. Juni
. Breite 16° 30’; Länge (Chronometer) 134°. Eine trockene Nacht und Wind, der beständig genug ist, dass

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