Meine geheime Autobiographie - Textedition
Richtigkeit des Urteils bestätigen würde. Ich hatte den Vorsatz, den Gegenstand mit der Ehrerbietung und Würde zu behandeln, die ihm zukam; schlichte, einfache englische Wörter zu benutzen und eine Ausdrucksweise, die unbefleckt wäre von süßlicher Manieriertheit und Geschraubtheit. In diesem Sinne machte ich mich an die Arbeit; und als sie abgeschlossen war, sagte ich mir insgeheim –
Aber lassen wir das. Ich überreichte Mr. X das Manuskript und ging nach Hause, um sein Lob abzuwarten. Unterwegs traf ich einen Freund. Ich glühte innerlich vor Freude über diese angenehme Sache und konnte mein Geheimnis nicht für mich behalten: Ich musste es jemandem anvertrauen, und so vertraute ich es ihm an. Ohne etwas zu sagen, blieb er einen Augenblick stehen und maß mich mit neugierigen Blicken; dann brach er in ein unverschämtes,derbes Gelächter aus, das mich zutiefst kränkte. Daraufhin sagte er:
»
Der
will die Übersetzung der Prozessakten lektorieren, wenn sie vorliegen?
Der?
«
»Das hat er gesagt.«
»Was versteht denn der vom Lektorieren?«
»Ich weiß es nicht, aber so hat er es gesagt. Glauben Sie, er ist nicht qualifiziert?«
»Qualifiziert? Er ist ahnungslos, eingebildet, unwissend, gutmütig, rothaarig und all das – es gibt keinen wohlmeinenderen Menschen; von Literatur aber versteht er nicht das Geringste und besitzt weder literarische Schulung noch Erfahrung:
Der
kann überhaupt nicht lektorieren.«
»Nun, ich weiß nur, dass er es versuchen will.«
»Ganz recht. Er ist sich seiner Unfähigkeit überhaupt nicht bewusst; er würde es sogar unternehmen, Shakespeare zu lektorieren, wenn man ihn dazu aufforderte – und ihn verbessern. Was arglose Selbstgefälligkeit angeht, hat die Welt nicht seinesgleichen gesehen; aber ich gebe Ihnen mein Wort: Er hat nicht genügend Verstand, um sich unterzustellen, wenn’s regnet.«
Die Urteilskraft dieses Gentlemans stand außer Frage. Als ich nach Hause kam, hatte ich beschlossen, Mr. X zu bitten, die Übersetzung nicht selbst zu lektorieren, sondern diese Arbeit einem Experten zu überlassen, dessen Name auf dem Titelblatt von Nutzen wäre.
Drei Tage später brachte mir Mr. X meine säuberlich getippte Einleitung. Er war in einem Zustand erheblicher Begeisterung und sagte: »Wirklich, ich finde sie recht gut – recht gut, ich versichere Sie.«
Diesem halben Kompliment haftete eine lässige und gönnerhafte Selbstgefälligkeit an, die meinen Kopf angriff und die Schwellung, die sich dort gebildet hatte, heilsam linderte.
Mit kalter Würde entgegnete ich, ich sei froh, dass meine Arbeit seine Billigung gefunden habe.
»Oh, das hat sie, ich versichere Sie«, erwiderte er äußerst vergnügt, »ich versichere Sie, das hat sie. Ich habe sie gründlich durchgesehen, gestern,letzte Nacht und heute, und ich finde sie recht anerkennenswert – recht anerkennenswert. Ich habe ein paar Korrekturen angebracht – das heißt Vorschläge, und –«
»Wollen Sie damit sagen, Sie haben lek…«
»Ach, nichts von Bedeutung, nichts von Bedeutung, ich versichere Sie«, sagte er, klopfte mir auf die Schulter und lächelte leutselig, »nur ein paar Kleinigkeiten, die noch den letzten Schliff brauchten – nichts von Bedeutung, ich versichere Sie. Geben Sie sie mir zurück, sobald Sie können, damit ich sie in den Satz geben kann, während ich die Übersetzung lektoriere.«
Eine Zeitlang saß ich, die lektorierte Einleitung ungeöffnet in der Hand, untätig da und hegte trübe Gedanken. Ich konnte sie mir noch nicht ansehen – ich konnte mir kein Herz fassen, denn mein Stolz war zutiefst verletzt. Es war das erste Mal in zweiunddreißig Jahren, dass mich jemand lektoriert hatte, ausgenommen Mr. Howells, der mir seine Hilfe nicht aufgenötigt, sondern sie auf mein Ersuchen hin geleistet hatte. »Und jetzt ist hier ein Halbfremder, unbekannt, ohne jede literarische Schulung, ohne jede literarische Erfahrung, ohne jede –«
Doch an diesem Punkt riss ich mich zusammen; denn das war der Weg in den Wahnsinn. Ich musste Ruhe bewahren; aus Selbstachtung durfte ich mich nicht auf das Niveau unkultivierter Personen begeben. Ich musste im Sinn behalten, dass dieser Mensch keine schädlichen Absichten verfolgte und sich ehrenvoll bemühte, mir einen Gefallen zu tun. Schlecht von ihm zu denken, schlecht von ihm zu reden – das war kein christlicher Geist. Diese gerechten Gedanken beruhigten mich und gaben mir mein besseres Ich zurück, und ich schlug die Einleitung
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