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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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und das war ihr ganzes Wissen. Das war Johanna mit sechzehn. Was wusste sie über Gesetze? Über Aussagen? Über Gerichte? Über das Anwaltsmetier? Über Rechtsprozeduren? Nichts. Weniger als nichts. So vollständig ausgestattet mit Nichtwissen, zog sie in Toul vor Gericht, um eine falsche Anklage wegen eines gebrochenen Heiratsversprechens anzufechten; sie vertrat ihre Sache selbst, ohne irgendjemandes Hilfe oder Rat oder ˆund ohneˆ irgendjemandes freundliche Anteilnahme, und sie gewann. Sie rief keine eigenen Zeugen auf, sondern besiegte den Staatsanwalt mit der tödlichen Wirksamkeit ihrer eigenen Aussage. Der erstaunte Richter wies die Klage ab und nannte sie »dieses wunderbare Kind«.
    Nun suchte sie den altgedienten Kommandanten von Vaucouleurs auf und verlangte eine Eskorte von Soldaten mit der Begründung, sie müsse losmarschieren, um dem König von Frankreich beizustehen, da sie von Gott beauftragt sei, ihm sein verlorenes Königreich zurückzugewinnen und ihm die Krone aufs Haupt zu setzen. Der Kommandant sagte: »Was, du? – Du bist doch noch ein Kind.« Und er ˆErˆ riet dazu, sie in ihr Dorf zurückzubringen und sie zu ohrfeigen. Sie aber sagte, sie müsse Gott gehorchen, ˆsagte sie, ˆ und werde wieder und wieder und immer wieder kommen und die Soldaten am Ende erhalten. Sie sprach wahr. Irgendwann, nach Monaten der Verzögerung und Verweigerung, fügte er sich und gab ihr die Soldaten; und eine Eskorte; er zog sein ˆeigenesˆ Schwert und gab ˆesˆ ihr dieses und sagte: »Geh – und komme, was da wolle.« Sie trat ihre lange Reise anˆ,ˆ und sprach mit dem König und überzeugte ihn. Daraufhin ˆSieˆ wurde sie ˆdaraufhinˆ vor die Universität von Poitiers beordert, um zu beweisen, dass sie wirklich von Gott und nicht von Satan beauftragt war, und furchtlos saß sie täglich drei Wochen lang vor der gelehrten Versammlung und beantwortete geschickt deren bohrende Fragen aus ihrem unwissenden, aber klugen ˆklarenˆ Kopfˆ,ˆ und ihrem schlichten und ehrlichen Herzenˆ.ˆ , und w ˆWˆieder gewann sie ihren Fall und mit ihm die ˆ, zusammen mit derˆ staunendeˆnˆ Bewunderung der ganzen erlauchten Gesellschaft.
    3. Und jetzt, mit siebzehn Jahren, wurde sie zur Oberbefehlshaberin ernannt, mit einem königlichen Prinzen und den altgedienten Generälen Frankreichs als Untergebenenˆ.ˆ ; und a ˆAˆm Kopf der ersten Armee, die sieje gesehen hatte, marschierte sie gegen Orléans, erstürmte nach drei verzweifelten Angriffen die wichtigsten Festungen des Feindes und hob in zehn Tagen eine Belagerung auf, die der Macht Frankreichs sieben Monate standgehalten hatte.
    4. Nach nervtötenden und irrsinnigen Verzögerungen, verursacht durch die charakterliche Labilität des Königs und die verräterischen Ratschläge seiner Minister, erhielt sie die Erlaubnis, wieder zu Felde zu ziehen. Jargeau nahm sie im Sturm; dann Meung; zwang Beaugency zur Kapitulation; dann – in offener Schlacht – errang sie den denkwürdigen Sieg von Patay gegen Talbot, den englischen Löwen, und brach so dem Hundertjährigen Krieg das Rückgrat. Es war ein Feldzug, der nur sieben Wochen Zeit ˆAnstrengungˆ kostete; und doch wären die politischen Resultate selbst dann billig erstanden, wenn die aufgewendete Zeit fünfzig Jahre betragen hätte. Patay, jene unbesungene und längst vergessene Schlacht, war das Moskau ˆführte direkt zum Niedergangˆ der englischen Macht in Frankreich; von dem Schlag, der ihr an jenem Tag versetzt wurde, sollte sie sich nie wieder erholen. Es war der Anfang vom Ende einer fremden Botmäßigkeit ˆFremdherrschaftˆ, die Frankreich mit Unterbrechungen dreihundert Jahre lang heimgesucht hatte.
    5. Darauf folgte der große Feldzug entlang der Loire, die Einnahme von Troyes im Sturmangriff, die Kapitulation von Städten und Festungen und der Triumphmarsch an kapitulierenden Städten und Festungen vorbei nach Reims, wo Johanna ˆJeanne in der Kathedraleˆ unter wildem öffentlichem Jubel ihrem König in der Kathedrale die Krone aufs Haupt ˆihres Königsˆ setzte, und ihr alter bäurischer Vater und ihr Bruder warˆenˆ dabei, es zu sehen und zu glauben, falls er seinen ˆsie ihrenˆ Augen trauen könnteˆnˆ. Sie hatte die Krone und die verlorene Souveränität wiederhergestellt: Der König war wenigstens einmal in seinem schäbigen armen Leben dankbar und forderte sie auf, ihren ˆeigenenˆ Lohn zu nennen und ihn entgegenzunehmen. Sie forderte nichts für sich selbst, sondern bat darum, ihrem

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