Meine geheime Autobiographie - Textedition
Schornstein, beäugten einander wachsam, schlugen mit den Schwänzen und heulten ihre nichtigen Kümmernisse in die Welt hinaus; und mit flatternden Hemdschößen kroch Jim langsam und vorsichtig weiter; die vergnügten und übermütigen jungen Geschöpfe unter dem Weinbaldachin bemerkten nichts, und mit ihrem unangebrachten Gelächter beleidigten sie den feierlichen Vorgang. Jedes Mal, wenn Jim ausrutschte, schöpfte ich Hoffnung; er aber enttäuschte mich und kroch immer weiter. Schließlich befand er sich in Reichweiteder Kater. Er hielt inne, richtete sich vorsichtig auf und maß sorgfältig den Abstand, dann griff er mit einer hektischen Bewegung nach dem Kater, der ihm am nächsten war – und verfehlte ihn. Natürlich verlor er das Gleichgewicht. Seine Fersen flogen in die Höhe, er landete auf dem Rücken, und wie eine Rakete sauste er mit den Füßen voran das Dach hinab, durchschlug die verwelkten Weinreben und landete inmitten der Gesellschaft – dürftig bekleidet, wie er war, in sitzender Position auf vierzehn Untertassen mit glühend heißem Karamell – dieser Bursche, der einem Mädchen selbst dann nicht ins Gesicht sehen konnte, wenn er voll bekleidet war. Es folgten wildes Gerangel und ein Sturm spitzer Schreie, und Jim flüchtete treppauf, wobei er auf dem ganzen Weg zerbrochenes Geschirr zurückließ.
Der Vorfall war vorbei. Aber anders, als ich vermutete, war ich noch nicht fertig mit ihm. Achtzehn oder zwanzig Jahre später traf ich, aus Kalifornien kommend, in New York ein, zu dieser Zeit war ich mit allen anderen Unternehmungen gescheitert und, ohne es zu beabsichtigen, in die Literatur gestolpert. Es war Anfang 1867. Für einen Beitrag im
Sunday Mercury
hatte man mir eine große Summe angeboten, und ich beantwortete das Angebot mit der Geschichte »Jim Wolf und die Katzen«. Ich kassierte auch das Geld dafür – fünfundzwanzig Dollar. Das Honorar kam mir sehr hoch vor, aber ich sagte nichts, denn damals war ich noch nicht so pingelig wie heute.
Ein, zwei Jahre später erschien »Jim Wolf und die Katzen« in einer Zeitung in Tennessee in neuer Gestalt – was die Schreibweise anbelangt; sie war als Südstaatendialekt maskiert. Derjenige, der sich die Geschichte angeeignet hatte, genoss im Westen ein hohes Renommee und war ausgesprochen populär. Verdientermaßen, wie ich glaube. Er hatte einige der flottesten und komischsten Passagen geschrieben, die ich je gelesen habe, und erledigte seine Arbeit mit ausgezeichneter Leichtigkeit und Geläufigkeit. Sein Name ist mir entfallen.
Zwei Jahre vergingen; dann tauchte die Originalgeschichte – meine eigene Version – wieder auf und machte die Runde in der originalen Schreibweise und unter meinem Namen. Bald fiel erst die eine, dann die andere Zeitung kräftig über mich her – ich hätte Jim Wolf und die Katzen dem Mann aus Tennessee »gestohlen«. Ich bezog heftige Prügel, hatte aber nichts dagegeneinzuwenden. Das gehört zum Spiel dazu. Außerdem hatte ich schon eine Weile vorher die Erfahrung gemacht, dass es nicht klug ist, das Feuer unter einer Verleumdung zu schüren, es sei denn, man kann einen großen Vorteil daraus ziehen, dass man es am Leben hält. Die meisten Verleumdungen nutzen sich durch Schweigen ab.
Aber mit Jim und den Katzen war ich noch nicht fertig. 1873 hielt ich in London Vorträge in den Queen’s Concert Rooms, Hanover Square, und wohnte im Langham Hotel, Portland Place. Auf dieser Seite des Ozeans hatte ich weder Haushalt noch Büro, ausgenommen George Dolby, meinen Agenten, und Charles Warren Stoddard, den kalifornischen Dichter, heute (1900) Professor für englische Literatur an der Roman Catholic University, Washington. Angeblich war Stoddard mein Privatsekretär; in Wirklichkeit war er mein Freund – ich hatte ihn angestellt, um seine Gesellschaft zu genießen. Als Sekretär brauchte er nichts weiter zu tun, als die täglichen Zeitungsberichte über den großen Meineidprozess zu sammeln, der gegen den Mann, der Tichborne zu sein behauptete, angestrengt worden war. Aber er machte eine hinreichend große Sache daraus, denn die Berichte nahmen täglich sechs Spalten ein, und gewöhnlich verschob er seine Tätigkeit auf Sonntag; dann musste er zweiundvierzig Spalten ausschneiden und einkleben – eine wahre Herkulesaufgabe. Er versah seine Arbeit gut; wäre er jedoch älter und schwächer gewesen, hätte sie ihn einmal die Woche umgebracht. Zweifellos hält er gute Literaturvorlesungen, aber ebenso zweifellos
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