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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Abendessen kommen und über Nacht bleiben.
    Ich glaube, bei derselben Traum-Sitzung geschah etwas sehr Merkwürdiges. Es geschah nicht währenddessen – es geschah danach, in der Nacht. Nein, es geschah gar nicht dort. Es geschah im Haus von James Goodwin, Vater von Reverend Francis Goodwin und auch Vater der großen Connecticut Mutual Insurance Company. Zu der Zeit, von der ich spreche, war Mr. James Goodwin ein alter Mann, aber in seinen jungen Tagen, als er noch Postkutscher zwischen Hartford und Springfield gewesen war, hatte er die Idee, eine Mutual Insurance Company, eine Versicherung auf Gegenseitigkeit, zu gründen, sammelte mittels Anlegern ein kleines Kapital an – genug, um das Geschäft bescheiden anzugehen – und gab den Rest der Aktien an (eher spärlich gesäte) Leute aus, die gewillt waren, sie zu akzeptieren – und jetzt erlebte er, dass die Aktien zweihundertfünfzig wert waren und niemand sie zu diesem oder irgendeinem anderen Preis verkaufen wollte. Er hatte längst vergessen, wie man eine Kutsche lenkt – aber darauf kam es nicht an. Er war sieben Millionen wert und brauchte für seinen Lebensunterhalt nicht länger zu arbeiten. Reverend Frank Goodwin, sein Sohn, ein episkopalischer Geistlicher, war ein Mann von vielen Fähigkeiten; unter anderem war er Architekt. Er plante und baute für seinen Vater eine riesige Villa aus Granit, und ich glaube, dass der merkwürdige Vorfall jener Nacht in dieser Villa geschah. Allerdings weiß ich es nicht mehr genau. Nein, dort geschah er auch nicht. Er geschah in Francis Goodwins eigenem Haus in der Nachbarschaft. Ich habe nichts dagegen, in einer Autobiographie Ausflüge zu machen – es gibt viel Platz darin. Ich habe nichts dagegen, solange ich die Dinge, wenn sie wichtig sind, endlich hinbekomme. Es geschah so. Frank Goodwin hatteeine Alarmanlage im Haus. Der Signalgeber befand sich dicht neben seinem Ohr, backbordseitig an seinem Bett. Zur Schlafenszeit schaltete Goodwin das ganze Haus – jedes Fenster und jede Tür – scharf, dann, um fünf Uhr morgens, ging die Köchin aus ihrem Schlafzimmer nach unten und öffnete die Küchentür, und das löste den Alarm an Goodwins Ohr aus. Da dies Woche für Woche jeden Morgen geschah, hatte sich Goodwin bald so daran gewöhnt, dass es ihn nicht beunruhigte. Manchmal riss es ihn aus dem Schlaf – manchmal störte es seinen Schlaf vermutlich überhaupt nicht, aber aus alter Gewohnheit streckte er automatisch die linke Hand aus und stellte den Alarm ab. Damit deaktivierte er den Alarm für das ganze Haus, so dass von fünf Uhr morgens bis zum Einschalten der Alarmanlage zur Schlafenszeit am nächsten Abend nicht ein Fenster und nicht eine Tür gesichert war.
    Die Nacht, von der ich spreche, war eine jener trostlosen Novembernächte in Neuengland gegen Ende des Monats, wenn das lästige Klima Neuenglands diese Gegenden gehörig durchschüttelt, nur so als Experiment und um die Hand im Spiel zu haben, wenn die eigentliche Zeit herannaht, der Dezember. Nun, als wir um Mitternacht aus dem Haus gingen, heulte der Wind, und der Schnee trieb in Wolken vorüber. Es war eine wilde Nacht. Es war wie ein Sturm auf See, ein Donnern und Krachen und Brüllen, dazu heftige Schneewehen. Es war keine Nacht, in der Einbrecher hätten unterwegs sein wollen, und doch
waren
sie unterwegs. Um halb eins lag Goodwin im Bett, und sein Haus war gesichert. Nicht lange danach trafen die Einbrecher ein. Anscheinend wussten sie Bescheid über die Alarmanlage, denn statt in die Küche einzubrechen, sägten sie sich ihren Weg ins Innere – will sagen, sie sägten eine große Kassette aus der Küchentür und verschafften sich so Zutritt, ohne den Alarm auszulösen. Sie spazierten nach Belieben im ganzen Haus umher; sammelten allen möglichen Schmuck und Schnickschnack ein sowie das gesamte Tafelsilber. Diese Gegenstände trugen sie in die Küche, stopften sie in Beutel, und dann stellten sie ein üppiges Abendessen mit Champagner und Burgunder und so weiter zusammen und verzehrten es mit Muße. Als sie aufbruchbereit waren – sagen wir, um drei Uhr morgens –, zeigten der Champagner und der Burgunder ihre Wirkung, und für einen Moment wurden sie unachtsam, doch ein Moment war schongenug. In diesem unachtsamen Moment entriegelte einer der Einbrecher die Küchentür und öffnete sie, und natürlich schlug die Alarmanlage an. Rev. Mr. Goodwin streckte die linke Hand aus, schaltete die Anlage ab und schlief friedlich weiter, die Einbrecher

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