Meine geheime Autobiographie - Textedition
immer klug und in gewisser Hinsicht oft
notwendig
ist, Herausgeber umzubringen, aber ich finde, wenn ein Mann US-Senator ist, sollte er von seinem Cousin zweiten Grades verlangen, dass er, solange er kann, an sich hält und die Tat dann auf schöne Weise begeht, unter persönlicher Gefahr für sich selbst. Ich wüsste nicht, dass Tillman im Laufe seines politischen Lebens viele Dinge getan hätte, die ihm Ehre machen, aber über die Position, die er diesmal eingenommen hat, freue ich mich. Der Präsident hat sich hartnäckig geweigert, auf diejenigen unter seinen Freunden zu hören, die nicht unzurechnungsfähig sind – Männer, die versucht haben, ihn dazu zu bewegen, sich von Mr. Barnes’ Verhalten zu distanzieren und sein Bedauern über den Vorfall auszudrücken. Und jetzt verwendet Mr. Tillman das Argument, von dem ich vor einer Minute sprach, und er verwendet es mit schlagender Wirkung. Er erinnert den Senat, dass der Präsident genau zu dem Zeitpunkt, als seine Würde ihm nicht erlaubte, Mrs. Morris oder ihren Freunden eine gütige Zeile des Bedauerns zukommen zu lassen, genügend Zeit hatte, einem Berufsboxer im fernen Westen ein Billett der Anerkennung und Bewunderung zu schicken. Wäre der Präsident unbeliebt gewesen, hätte man dieses Argument frühzeitig aufgegriffen und weitreichende Notiz davon genommen. Aber wie bereits angedeutet, haben die Nation und die Zeitungen loyales und demütiges Schweigen bewahrtund andächtig und hoffnungsvoll darauf gewartet, dass ein unbesonnener Mensch die Dinge ausspricht, die sie in ihren Herzen verwahren und nicht zu äußern wagen. Mrs. Morris verwirrt die Situation und hält das immer größere Unbehagen von achtzig Millionen Menschen wach, indem sie zwar dem Tod nahe ist, jedoch weder gesundet noch stirbt; beides würde die Spannung mildern. Einstweilen muss das Unbehagen andauern. Betäubt jedenfalls hat es Mr. Tillman nicht.
(Der Text, den ich hier verwenden wollte, war meine Geburtstagsrede. Ich will mich nicht allzu weit von ihm entfernen und sollte wieder auf ihn zurückkommen.)
Heute Morgen haben wir den guten alten John Malone, den Schauspieler, beerdigt. Seine alten Freunde vom Players Club waren geschlossen zugegen. Es war das zweite Mal in meinem Leben, dass ich einem katholischen Begräbnis beiwohnte. Und als ich in der Kirche saß, liefen meine Gedanken in ihrem natürlichen Gang zurück zu jenem anderen, und der Kontrast interessierte mich sehr. Das erste Begräbnis war das der Kaiserin von Österreich, die vor sechs oder acht Jahren ermordet wurde. Es gab eine große Zusammenkunft der alten Aristokratie des kaiserlichen Österreichs; und da dieser Flickenteppich alter Königreiche und Fürstentümer aus neunzehn Staaten und elf Nationalitäten besteht und die Adligen in den Kostümen kamen, die ihre Vorfahren schon vor drei, vier oder fünf Jahrhunderten bei Staatsakten zu tragen pflegten, ergaben Vielfalt und Pracht der Kostüme ein Bild, das allen Glanz und Prunk, denen ich im Laufe meines Lebens in Oper, Theater, Gemäldegalerien und Büchern begegnet war, in den Schatten stellte. Gold, Silber, Juwelen, Seide, Satin, Samt; alles war da in strahlend schönem Durcheinander und in jener Art vollendeter Harmonie, die die Natur selbst anstrebt und beherrscht, wenn sie ihre Blumen und Wälder bemalt, gruppiert und mit Sonnenlicht überflutet. Die militärischen und zivilen Putzmacher des Mittelalters verstanden sich auf ihr Handwerk. So unendlich die Mannigfaltigkeit der zur Schau gestellten Kostüme auch war, es fand sich nicht ein hässliches und keins, das ein Misston in der Harmonie oder ein Ärgernisfürs Auge gewesen wäre. Hielten die dichtgedrängten Kostüme still, waren sie von sanfter, üppiger, sinnlicher Schönheit; wenn sich die Masse regte, setzte die leiseste Bewegung die Juwelen und Orden und leuchtenden Farben in Brand und überrollte sie mit funkelnden Lichtern, die mich in einen Rausch des Entzückens versetzten.
Aber heute Morgen war es anders. Heute Morgen waren die Kleider alle gleich. Sie waren schlicht und bar jeder Farbe. Die Mitglieder des Players Club waren gekleidet, wie sie immer gekleidet sind, außer dass sie die hohen Zylinder des Zeremoniells aufgesetzt hatten. Und doch war John Malones Begräbnis auf seine Art genauso eindrucksvoll, wie es das der Kaiserin gewesen war. Es bestand keine Ungleichheit zwischen John Malone und der Kaiserin, ausgenommen die künstlichen Ungleichheiten, die die kindische Eitelkeit
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