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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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hielt sich schwankend irgendwo fest, sammelte seine Gedanken und die passenden Worte und sagte:
    »Ihnen ein Pfund Schweinefleisch für General Sickles verkaufen?
Nee.
Gehen Sie zurück und richten Sie ihm aus, nicht einmal für Gott würde ich Ihnen ein Pfund Schweinefleisch verkaufen.«
    Das war Twichells Schilderung des Vorfalls.
    Aber ich bin von dem Baum abgekommen, an dem der blutende General Sickles lehnte und sich seine letzten Worte zurechtlegte. Es dauerte eine Dreiviertelstunde, bis man einen Feldscher fand, denn es war eine gewaltige Schlacht, und überall wurden Feldschere gebraucht. Der Feldscher traf erst nach Einbruch der Dunkelheit ein. Es war eine windstille Julinacht, und eine Kerze brannte – ich glaube, jemand saß neben dem Kopf des Generals und hielt die Kerze in der Hand. Sie spendete eben genug Licht, um das Gesicht des Generals erkennbar zu machen, und um ihn her warteten mehrere verschwommene Gestalten. Aus der Dunkelheit platzt ein Adjutant in diese Gruppe; springt leichtfüßig von seinem Pferd, nähert sich dem kreidebleichen sterbenden General, nimmt soldatische Haltung an, salutiert und rapportiert auf nüchtern-soldatische Art, er habe den Befehl des Generals ausgeführt, die Verlegung der Regimenter zu dem vorgesehenen Stützpunkt sei abgeschlossen.
    Der General dankte ihm höflich. Ich bin überzeugt, dass Sickles immer höflich gewesen ist. Um noch im Sterben richtig höflich zu sein, bedarf es der
Schulung
. Viele haben sich daran versucht. Ich nehme an, nur wenigen ist es gelungen.
    Donnerstag, 18. Januar 1906
    Senator Tillman spricht über den Fall Morris – John Malones Begräbnis im
Kontrast zu dem der Kaiserin von Österreich – Kapitel endet mit einem Duell
    Vorgestern hat Senator Tillman aus South Carolina eine Rede gehalten – eine freimütige und vertrauliche Kritik am Präsidenten, am Präsidenten der Vereinigten Staaten, wie er ihn nennt; dabei gibt es, soweit ich weiß, seit vielleicht vierzig Jahren keinen solchen Amtsträger wie den Präsidenten der Vereinigten Staaten, wenn wir Cleveland ausnehmen. Ich kann mich an keinen anderen Präsidenten der Vereinigten Staaten erinnern – an ein, zwei vielleicht,
höchstens
an ein, zwei –, der nicht stets und ständig Präsident der Republikanischen Partei gewesen wäre und nur dann und wann und für kurze Zeit tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten. In dieser Rede trug Tillman die Angelegenheit von Mrs. Morris’ Hinauswurf aus dem Weißen Haus vor, und ich finde, dass seine Beschwerden gegen den Präsidenten ein gutes und tüchtiges Stück Arbeit waren. Jedenfalls war mir seine Handhabung der Angelegenheit angenehm und schmeckte mir. Ich war froh, dass es jemanden gab, der sich, ob nun aus einem edlen oder einem unedlen Beweggrund, der Sache annahm und sie an die Öffentlichkeit brachte. Das war notwendig. Die ganze Nation und die gesamte Presse hatten in kleinlautem und sklavischem Schweigen dabeigesessen, und jeder hatte sich, genau wie ich, insgeheim gewünscht, dass einer mit Sinn für die Regeln des Anstands aufsteht und diesen Übergriff anprangert, wie er angeprangert werden muss. Tillman brachte ein Argument vor, das mich entzückt. Vor Tagen wollte ich es selbst verwenden, aber da verfolgte ich schon einen Plan in einer anderen öffentlichen Angelegenheit, die mir ein oder zwei Ziegelsteine in meine Richtung eintragen könnte, und
eine
Unterhaltung dieser Art auf einmal ist reichlich für mich. Das Argument lautete folgendermaßen: dass der Präsidentstets verschwenderisch ist mit Briefen und Telegrammen an Hinz und Kunz über alles und nichts. Immer scheint er Zeit zu haben, statt seiner
wirklichen
Pflichten solche wahrzunehmen, die es gar nicht gibt. In der Zeit, da er ein oder zwei kurze Zeilen hätte zu Papier bringen können, um Mrs. Morris und ihren Freunden zu zeigen, dass es ihm als Gentleman dringlich sei, ihr mitzuteilen, wie leid es ihm tue, dass sein idiotischer stellvertretender Sekretär den offiziellen Sitz der Nation in ein Seemannsheim verwandelt habe, und dass er Mr. Barnes und den Rest der Empfangszimmergarnison ermahnen werde, mit Sünderinnen in Zukunft behutsamer umzugehen und im Weißen Haus auf Benehmen zu verzichten, das in jeder anderen ehrbaren Wohnstatt im Lande als schändlich gelten würde –
    Ich mag Tillman nicht. Vor drei Jahren brachte sein Cousin zweiten Grades einen Herausgeber um, ohne diesem die Chance zu geben, sich zu verteidigen. Ich verstehe ja, dass es fast

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