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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Feldzug in Mittelamerika, den dieser bemerkenswerte Mann auf eigene Faust unternommen hatte, hindurch gekämpft. Anhand dieses Tatbestands lässt sich der Major ermessen. Zu sagen, dass einer Major unter Walker war und durch Walkers Lob geadelt aus jenen Kämpfen hervorging, heißt, dass der Major nicht nur ein tapferer Mann, sondern tapfer bis zur äußersten Grenze dieses Wortes war. Alle Männer Walkers waren so. Ich kannte die Familie Gillis sehr gut. Der Vater hatte zusammen mit einem seiner Söhne den Feldzug unter Walker mitgemacht. Sie nahmen an der denkwürdigen Plaza-Schlacht teil und hielten, wie alle anderen Walkers, allen Widrigkeiten zum Trotz bis zuletzt stand. Der Sohn starb an der Seite des Vaters. Der Vater bekam eine Kugel ins Auge. Der alte Mann – denn damals war er bereits ein alter Mann – trug eine Brille, und die Kugel und eines der Brillengläser bohrten sich in seinen Schädel und blieben dort stecken – doch in den Jahren danach, wenn ich im Haus des alten Mannes in San Francisco übernachtete, sah ich ihn oft auf unendlich rührende Art Tränen und
Glas
vergießen, wann immer ihn die Gefühle übermannten. Es ist wunderbar, dass Glas sich vermehren kann, wenn es eine reelle Chance bekommt. Das Glas war ganz zerbrochen und verdorben, so dass es keinen Marktwert mehr besaß; aber im Laufe der Zeit schied er genug davon aus, um ein ganzes Brillengeschäft aufzumachen. Er hatte noch andere Söhne: Steve, George und Jim, blutjungeBurschen – die reinsten Jüngelchen –, die sich Walkers Expedition anschließen wollten, hatten sie doch den unerschrockenen Mut ihres Vaters. Aber Walker wollte sie nicht haben; er meinte, es sei eine ernsthafte Expedition und kein Ort für Kinder.
    Der Major war ein majestätisches Geschöpf von höchst gravitätischer, würdevoller und imposanter militärischer Haltung, von Natur aus und durch Drill höflich, zuvorkommend, anmutig, gewinnend; und er besaß eine Eigenschaft, die mir bisher, so glaube ich, nur bei einem anderen Mann begegnet ist – bei Bob Howland –, eine mysteriöse Eigenschaft, die im Auge residiert; und wenn sich dieses Auge warnend auf ein Individuum oder eine ganze Truppe richtet, genügt das vollkommen. Jemand, der ein solches Auge hat, braucht sich nicht zu bewaffnen; er kann auf einen bewaffneten Desperado zugehen, ihn bezwingen und gefangen nehmen, ohne ein einziges Wort zu sagen. Einmal habe ich Bob Howland dabei zugesehen – ein schlankes, gutmütiges, liebenswertes, sanftes, gütiges kleines Skelett von einem Mann mit einem sanften blauen Auge, das Ihr Herz erobern würde, wenn es Sie anlächelte, oder Ihr Herz erkalten und gefrieren ließe, je nach Anlass.
    Der Major ließ Joe Aufstellung nehmen; ließ Steve Gillis fünfzehn Schritte entfernt Aufstellung nehmen; befahl Joe, seine rechte Seite Steve zuzuwenden, seinen sechsschüssigen Marinerevolver – diese erstaunliche Waffe – zu spannen und entlang des Beins nach unten zu halten; sagte ihm,
das
sei die korrekte Position für den Revolver – die Position, die in Virginia City für gewöhnlich zur Anwendung komme (will sagen, dass der Revolver senkrecht in die Luft gehalten und dann langsam auf den Gegner gerichtet wird), sei grundverkehrt. Auf das Wort
»Eins«
müssen Sie den Revolver langsam und stetig auf die Stelle am Körper des anderen richten, die Sie bezwingen wollen. Dann, nach einer Pause,
»zwei, drei – Feuer – halt!«
Beim Wort »halt« dürfen Sie feuern – aber nicht vorher.
Nach
diesem Wort dürfen Sie sich so viel Zeit lassen, wie Sie wollen. Dann, wenn Sie feuern, dürfen Sie vorrücken und ganz nach Belieben und zu Ihrem Vergnügen weiterfeuern, falls Sie Vergnügen daran empfinden. Unterdessen rückt der andere Mann, falls er richtig instruiert wurde und sich seiner Rechte bewusst ist
,
auf
Sie
zu und feuert los – und wahrscheinlich wird es mehr oder weniger Ärger zur Folge haben.

Als Joe den Revolver gehoben hatte, zielte er natürlich auf Steves Brust, aber der Major sagte: »Nein, das ist nicht klug. Nehmen Sie jedes Risiko auf sich, selbst ermordet zu werden, aber gehen Sie nicht das Risiko ein, den anderen zu ermorden. Wenn Sie ein Duell überleben, müssen Sie es so überleben, dass die Erinnerung daran Sie nicht für den Rest Ihres Lebens begleitet und Ihren Schlaf beeinträchtigt. Zielen Sie auf das Bein des Mannes; nicht auf das Knie, nicht auf das Bein oberhalb des Knies; denn das sind gefährliche Stellen. Zielen Sie auf das Bein

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