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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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Ich wette, er hatte den Duft von Veraleens Essen am anderen Ende der Stadt in seinem verrosteten Wohnwagen gerochen und konnte einfach nicht widerstehen.
    »Ich habe Onkel Dal eingeladen, weil ich nicht wollte, dass er das hier verpasst«, erklärte Biswick mit piepsender Stimme. Alle aßen ungestört weiter, als hätte Biswick schon immer auf meinem Stuhl gesessen und darüber entschieden, wer zu uns zum Essen kommt. Ich fragte mich auch, ob Biswick ohne mich in Onkel Dals Scheune war, um ihm bei der Arbeit zu helfen. »Außerdem wollte ich Merilee Schauerlich sehen!« Alle schauten auf ihre Füße. Ich wäre fast gestorben. Bug und Snooky lachten.
    »Das ist sehr nett von dir, Biswick«, sagte Daddy. »Sonst bekommen wir Dal nur selten zu sehen.«
    »Aber wo ist die alte Ms Monroe?«, fragte Veraleen, während
sie geschäftig um den Tisch herumging. »Ich erinnere mich, als Merilee geboren wurde, da machte sie ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.« Ich sah, wie Daddy verstohlen zum Fliegengitter hinüberblickte, und fragte mich, ob Grandma vielleicht wieder dort aufgetaucht war. »Wo ist die kleine Giftspritze? Wir haben genug Essen, um eine ganze Armee satt zu kriegen.« All meine Familienmitglieder warfen sich vielsagende Blicke zu. Oh Gott, dachte ich, wir wollen Grandma wirklich nicht zurückhaben, und ich bin mir sicher, dass die anderen dasselbe dachten.
    »Grandma Birdy kocht am liebsten für sich allein. Sie lässt sich einfach nicht überreden, hier bei uns zu essen, und kommt nur zu Weihnachten und an ihrem Geburtstag«, erklärte Mama.
    »Und zu meinem Geburtstag«, warf Bug ein. »Außerdem backt sie manchmal extra für mich einen Schokoladenkuchen. Ups! Das war eigentlich ein Geheimnis«, fügte sie grinsend hinzu. Grandma hat mir in meinem gesamten Leben noch nie ein richtiges Geschenk gemacht. Allenfalls ein paar Geburtstagskarten aus Altpapier habe ich von ihr bekommen und einmal einen Teddybär, den sie bei einem Garagenverkauf erworben hatte. Sonst nichts. Nicht einmal eine ihrer scheußlichen Wintermützen, die sie immer strickt.
    »Nun, eigentlich brauchen Sie nur zu wissen, dass meine Familie die meiste Zeit hungern muss«, erklärte Mama, die damit geschickt von Grandma ablenkte. »Ich verbringe den Großteil des Tages in meinem Buchladen und bin über Fertiggerichte nie hinausgekommen.«
    »Ich weiß, was es bedeutet, Arbeit und Kinder unter einen Hut zu bringen«, entgegnete Veraleen. Sie war wie eine Alleinunterhalterin, die alles jederzeit im Griff hatte - dem einen schenkte sie Tee nach, während sie dem anderen im nächsten Moment noch einen Klacks Kartoffelbrei auf den Teller gab.
Sie wusste, was wir wollten, noch ehe wir es selbst wussten, und verstreute mit leichter Hand Komplimente, als würde sie Erdbeeren zuckern.
    Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie gekommen ist, um zu bleiben, dachte ich. Allmählich kamen die Gespräche wieder in Gang, doch fiel mir auf, dass sich niemand nach ihren Kindern erkundigte - ob sie welche habe, und wenn ja, wo sie sich aufhielten.
    Wieder am Herd, rührte Veraleen gedankenverloren in den Töpfen und schien ihnen etwas vorzusummen, als seien sie Babys, die sie beruhigen wolle. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, denn dasselbe hatte Grandma getan, als sie am selben Herd stand - vor sich hin gebrummt und geflüstert. Auch Daddy hatte sich während unserer wenigen gemeinsamen Autofahrten so ähnlich verhalten. Weil ich so still war, hatte er fast meine Anwesenheit vergessen und alle paar Minuten Mamas Namen gemurmelt, als sei er in alten Erinnerungen befangen.
    Bug ließ einen ihrer endlosen Monologe vom Stapel, als sie Snooky erzählte: »Ich hatte ja schon einen Stift und brauchte keinen mehr, trotzdem hat sie mir noch einen gegeben, deshalb wusste ich gar nicht, was ich mit dem anderen Stift anfangen sollte, und dann hab ich …« In diesem Moment sah ich ein weiteres Gespenst vor der Tür mit dem Fliegengitter stehen.
    Es war unser neuer Dichter.
    Durch das Gitter hindurch sah sein Gesicht in der Dunkelheit strahlend schön aus. Während Biswicks Gesicht irgendwie unvollständig wirkte, sah das seines Vaters allzu perfekt aus - doch auch ihm schien etwas zu fehlen, etwas Wahres, Authentisches. Eine suchende Seele. Eben jemand, der Gedichte schreiben könnte. Es liegt mir nicht, andere Leute zu beurteilen. Ich kann in ihnen nicht lesen, so wie andere. Doch hatte ich
sofort ein festes Bild von ihm, ein Ergebnis, als müsste ich nur

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