Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde
unmittelbar hinter der Haustür, blieb ich abrupt stehen, als mir der köstliche Geruch von Southern Fried Chicken in die Nase stieg. Oh, wie köstlich … Oh nein! Stand da vielleicht Grandma am Herd?
Ich stellte meine Sachen ab und schlich vorsichtig zur Küche. Sie war gerammelt voll mit Leuten, die sich um unseren kleinen Esstisch quetschten. Und am Herd stand die große Veraleen und gab Befehle aus, als sei sie die Küchenchefin eines Nobelrestaurants. Direkt hinter ihr hatten sich Winkie und Beasie postiert, in der Hoffnung, dass etwas für sie abfiele. Ich vermute, dass Stinky unter dem Tisch sein Glück versuchte.
»Nimm noch ein bisschen Mais, mein Junge!«, sagte sie zu … oh nein!... zu Biswick, der auf meinem Stuhl am Tisch saß. Meine Augen verengten sich, während ich beobachtete, wie Biswick mit seinem randvollen Teller zu Veraleen stapfte. Mama, Daddy und Lorelei waren da, genauso wie Bug und Snooky Venezuela - Bugs neuester Beste-Freundin-Versuch. Bug hat schon immer nach einer »besten Freundin« gesucht, und man kann im Voraus im Kalender anstreichen, wann die nächste Kandidatin auftauchen wird. Sie ist alle Mädchen aus ihrer Jahrgangsstufe schon zweimal durchgegangen und befindet sich nun in der dritten Runde.
Ich machte auf dem Absatz kehrt. Fried Chicken hin oder her, hier wollte ich nicht bleiben. Ich fühlte mich wie ein Wurm in einem Bienenstock.
»Hi, Hug!«, hörte ich Onkel Dals Stimme. Ein beruhigendes Gefühl durchflutete mich. Ich blieb an der Tür stehen.
»Da bist du ja, mein Schatz!«, sagte Mama fröhlich kauend. »Komm und setz dich zu uns. Du glaubst nicht, was für ein
Glück wir haben! Miss Holliday ist von nun an unsere Köchin! Sie hat früher für die Cowboys auf der Ranch gekocht.« Alle schauten zu mir auf, ihre Gesichter so prall und rund wie eine Zecke im Fell eines Hundes.
»Da ist sie ja!«, sagte Veraleen, indem sie sich umdrehte und einen schwarzen Pfannenwender in die Luft streckte. Ihre blauen Augen blitzten mich an. »Auf der Säuglingsstation haben wir dich damals ›Schreihals Monroe‹ genannt.« Ihre Stimme war so heiser, als wäre sie über dem Lagerfeuer geräuchert worden. »Aber inzwischen scheinst du ja mit dem Schreien aufgehört zu haben.« Diese Geschichte verfolgt mich mein Leben lang. Wenn ich tot bin, wird meine Grabinschrift lauten: »Merilee Monroe. Hat mit ihrem Geschrei alle um den Verstand gebracht.«
Veraleen hatte sich eine von Grandmas kleinen weißen Schürzen umgebunden, die sich wie eine Briefmarke über ihrem voluminösen Bauch spannte. Außerdem trug sie eine Kochmütze, die vor Erschöpfung zusammengesackt war. Und ihre großen, alten Krankenschwesternschuhe hatte sie natürlich auch an. Genau in diesem Moment sah ich, wie Grandma durch die Tür mit dem Fliegengitter spähte. Mit verkniffener Miene schien sie den köstlichen Essensduft in sich aufzunehmen. Doch im nächsten Moment war sie, wie ein stummes Gespenst, schon wieder verschwunden.
Veraleen gab mir einen Teller, auf dem sich knusprige Hähnchenstücke, Kartoffelbrei, ein verwirrendes Mosaik verlockender Beilagen und ein Haufen Pintobohnen befanden. Es duftete wirklich fantastisch. Ich konnte nicht widerstehen und setzte mich auf den einzigen freien Stuhl am Tisch neben Biswick.
»Du musst unbedingt die Bohnen probieren, Schatz«, sagte Veraleen mit dröhnender Stimme. »Wenn eine Rancherin nichts mit Bohnen anzufangen weiß, dann ist sie nichts wert.«
Dann lächelte sie dieses typische Lächeln von Menschen, die schlechte Zähne haben.
»Hi, Huggy!«, krähte Biswick, wobei ein Bissen aus seinem Mund flog und quer über den Tisch schoss. Alle kicherten verzückt, als sei er das niedlichste Geschöpf auf Erden. Ich stieß meine Gabel stöhnend in einen orangefarbenen Brei.
»Das sind Süßkartoffeln mit Ananas, Kleines«, erklärte Veraleen, während sie mir mit ihren stechenden blauen Augen einen sezierenden Blick zuwarf. Schließlich hatte sie mich nicht mehr gesehen, seit ich ein brüllender Säugling war. Und wie hat sie mich eben genannt? Schatz? Kleines? Ha! Ich erwiderte kühl ihren Blick. So schnell würde sie mich nicht herumkriegen, nicht wie die anderen Narren und Hunde, die sich so gierig um den Küchentisch geschart hatten, um ihr köstliches Essen hinunterzuschlingen.
Ich fragte mich, was Onkel Dal hier machte. Er lässt sich nicht oft bei uns blicken, ganz gleich wie gut Mama ihm zuredet, weil Grandma fast so viel auf ihm herumhackt wie auf mir.
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