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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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Pigg trägt seit den 60er-Jahren dieselbe Frisur: eine
Art Bienenstock, an dessen Spitze eine Schweinebrosche thronte.
    »Ihre Eintöpfe sind köstlich, Miss Pigg, wirklich ein Hochgenuss!«, erwiderte Romey, bevor sie sich umdrehte und sich demonstrativ den Finger in den Hals steckte.
    »Haut bloß ab«, rief Wadine mit verzerrtem Gesicht, »anstatt in meinem Geschäft rumzulungern!«
    »Schicke Klamotten«, sagte Cairo zu mir, ehe sie durch die Tür ging.
    Als wir in Richtung Kasse eilten, erblickte ich Gideon. Er stand draußen vor dem Fenster und presste sein Gesicht gegen die Scheibe, die Hände um die Augen gewölbt, um besser sehen zu können. Neben ihm stand ein Einkaufswagen, der voller Lebensmittel war.
    Armer Gideon. Er muss seiner Mutter und Großmutter alles abnehmen, sogar die Einkäufe. Sie haben eine Katze, die so dick ist wie eine Kartoffel auf Zahnstochern. Hin und wieder entwischt sie ihrer Familie. Dann läuft sie in Puppenkleidern, als Cowboy oder Balletttänzerin verkleidet, durch die Straßen. Seit vielen Jahren kursiert schon das Gerücht, Gideons Großmutter habe Angst, von einem Meteoriten getroffen zu werden, sobald sie das Haus verlasse, und seine Mutter sei inzwischen so fett, dass sie nicht mehr allein aus ihrem Sessel aufstehen könne. Doch in Wahrheit leiden Mutter und Großmutter Finkle an Agoraphobie, wie mir die Sprechstundenhilfe von Dr. Wilson erzählte, was bedeutet, dass die beiden einfach panische Angst bekommen, sobald sie ihr Haus verlassen. Grandma Birdy behauptet trotzdem, sie habe Grandma Finkle einmal am späten Abend in unseren Mülltonnen herumwühlen sehen. Als sie das Licht eingeschaltet habe, sei Gideons Großmutter davongehuscht wie ein verschreckter Waschbär.
    »Was guckst du so, Junge?«, rief Veraleen ihm mit dröhnender
Stimme durch das Glas zu. »Willst du was Bestimmtes haben?« Ich wäre vor Schreck fast gestorben. Gideon ebenso. Er rückte sich seine Brille zurecht, drehte sich um und schob seinen Einkaufswagen langsam den Bürgersteig entlang.
    Veraleen machte an diesem Abend ihre berühmten Tex-Mex-Enchiladas. Als ich meinen Blick um den Esstisch wandern ließ, an dem Mama, Daddy, Bug, Veraleen und Biswick (der inzwischen fast jeden Abend mit uns aß) saßen, fragte ich mich unwillkürlich, ob es jetzt für immer so bleiben würde.

Zehntes Kapitel
    G randma Birdy sagt, das Leben sei unberechenbar. Ohne Vorankündigung gerät es außer Rand und Band und fällt über dich her wie eine wütende Wildsau. Als Sheriff Bupp ein kleiner Junge war, bekam seine Mutter an Heiligabend ein Telegramm, in dem es hieß, ihr Mann, Johnny Bupp, sei im Krieg von einem Nazi getötet worden. Seine Mama steckte es ein, wankte ins Wohnzimmer und brach neben dem Weihnachtsbaum zusammen.
    Es war der kleine Henry, der sie fand. Grandma Birdy sagt, Sheriff Bupps Mutter sei eine gute Frau gewesen, und hätten seine verrückten Tanten ihn nicht unter ihre Fittiche genommen, dann wäre ein halbwegs anständiger Kerl aus ihm geworden und nicht der Vollidiot, der er heute ist. Doch die Beerdigung war kaum vorüber, da zogen auch schon seine Tanten Lovie und Lulie ins Haus von Henrys Mutter, um für immer zu bleiben. Ein Gedenkgottesdienst für Sheriff Bupps Daddy wurde nicht abgehalten; er liegt irgendwo in Frankreich oder Österreich begraben. Doch gegenüber dem Gerichtsgebäude steht eine Statue von ihm, die ihn in Uniform zeigt. Sie ist dem letzten Foto von ihm nachgebildet, das gemacht wurde, bevor er in den Krieg zog. Tapfer und ernst blickt er drein und sieht doch aus wie ein Kind.
    Lovie und Lulie hatten sehr seltsame Vorstellungen von Kindererziehung. Sheriff Bupp bekam nicht die geringste Liebe oder Zuneigung zu spüren. Sie nörgelten ständig an ihm herum,
nannten ihn »Trottel Bupp« oder »Dummchen Henry«. Seit seine Mutter gestorben war, hat er nie wieder ein Weihnachtsfest erlebt. Tante Lovie und Tante Lulie erklärten, sie hingen einer Religion an, in der man einander keine Geschenke mache. In Wahrheit waren sie nur krankhaft geizig.
    Sheriff Bupp machte alles noch schlimmer, als er Minnie Dean heiratete, die kaum besser ist als seine Tanten. Sie zog mit ins Haus und muss sich nun um die beiden alten Damen kümmern. Wenn eine von ihnen auf dem Klo feststeckt oder ein anderes Unglück geschehen ist, ruft sie ihren Mann im Auto an, der seine Ohren auf Durchzug stellt, während sie immer weiterquasselt.
    Minnie Bupp liegt schon seit Jahren mit ihrer Zwillingsschwester

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