Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde
rausfinden?«
»Vielleicht«, murmelte ich. »Keine Zeit. Verwunderlich.«
»Hey, ihr da drüben!«, rief jemand vom Tor aus.
Oh nein. Es war Sheriff Bupp. Ich warf dem schlafenden Mr O’Connor einen nervösen Blick zu und fragte mich, ob der Sheriff ihn sehen konnte.
Ich gab Biswick ein Zeichen, mir zu folgen. »Schau nicht zu deinem Daddy, sonst kriegen wir einen Riesenärger«, flüsterte ich durch die Zähne.
»Ich hab dich schon überall gesucht, Mädchen. Versteckst du dich etwa vor mir?«
Ich machte einen tiefen FF-Atemzug. »Nein, Sir. Ich wohne in derselben Straße wie Sie, ein Stück weiter unten.«
»Gib keine vorlauten Antworten!« Er nahm seinen Sheriffhut ab und wischte sich mit der Hand über seine glatte Stirn. Sheriff Bupp hat keine einzige Falte. Sein Gesicht ist das eines Kindes und so glatt wie der Stein, den Veraleen auf der Straße fand. Als wäre er seit seiner Kindheit - seit sein Vater starb - nicht gealtert. Dass er schon älter ist, erkennt man ausschließlich an seiner Glatze und den drei spärlichen Haarsträhnen,
die quer über seinem Kopf liegen und niemandem etwas vormachen können. Sie beginnen an einem Ohr und bahnen sich ihren Weg über seinen kahlen Schädel, bis sie das andere Ohr erreichen. Der Sheriff warf Biswick einen Blick zu, als hätte er gerade an saurer Milch gerochen.
»Ist das der zurückgebliebene Junge?«, fragte er, als könnte Biswick ihn nicht hören. Ich kannte dieses Verhalten nur allzu gut. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Ich öffnete meinen Mund, brachte aber kein Wort heraus.
»Ich bin nicht zurückgeblieben, Sir«, antwortete Biswick. »Ich habe nur ein Syndrom. Wissen Sie eigentlich, dass Sie keine Haare auf dem Kopf haben? Veraleen sagt, wenn Sie sich eine Woche lang jede Nacht einen Kuhfladen auf den Kopf legen, dann wachsen sie vielleicht wieder.«
»Das hat sie gesagt? Ich werde diese Hexe wegen Quacksalberei einbuchten.« Der Sheriff schüttelte den Kopf. »Was du hast, kann sie jedenfalls nicht heilen.«
»Schauerlich!«, platzte ich heraus. Am liebsten hätte ich meine Arme durch das Gitter gestreckt und ihn am Kragen gepackt. So etwas wie blinde Wut empfinde ich eigentlich nie. Es ist eher ein Gefühl, das tief in mir ruht und manchmal in meine Kehle schießt.
„Und was habe ich?«, fragte Biswick unschuldig.
Der Sheriff schüttelte den Kopf, als spräche er tatsächlich mit einem Idioten. »Wo ist dein Vater, Junge?«, fragte er, während er Biswick einen warnenden Blick zuwarf.
Ich spürte, dass Biswick mit aller Macht versuchte, nicht zu seinem sturzbetrunkenen Vater hinüberzusehen, der immer noch ausgestreckt auf dem Boden lag.
»Der ist zu Hause und schläft«, antwortete er, während er heftig zwinkern musste.
»Ist das wirklich wahr?«, fragte der Sheriff. »Ich muss ihm nämlich ein paar Fragen stellen. Der BNSF scheint da vor ein
paar Wochen einen blinden Passagier aus dieser Gegend befördert zu haben und ist darüber natürlich gar nicht erfreut. Also haben sie mich gefragt, ob es in Jumbo Leute geben könnte, die verrückt genug sind, aus einem fahrenden Zug zu springen, und ich habe ihnen gesagt, dass ich da einen geeigneten Kandidaten hätte.«
»Wen denn?«, fragte Biswick interessiert. Er wollte es wirklich wissen.
»Na, deinen Vater, du Dumpfbacke!«, antworte Sheriff Bupp glucksend.
Biswick kaute auf seiner Unterlippe. Sein Blick wanderte unruhig hin und her. Ich schaute den Sheriff unverwandt an. Ich wusste, wer vom Zug abgesprungen war, doch dachte ich nicht im Traum daran, ihm davon zu erzählen. Ich machte einen weiteren FF-Atemzug und spürte die Luft heiß und traurig durch meine Nase entweichen. Ich schloss die Augen.
„Der Lokführer sagt, dass er dich jede Woche sieht, wenn du den Müll dieses Gesindels aufliest«, begann Sheriff Bupp. Ich öffnete die Augen einen Spaltbreit. »Also dachte er, dass du vielleicht etwas beobachtet hast.«
Ich schüttelte den Kopf und murmelte vor mich hin: »Einwanderer, Migranten.« Meine Fingerspitzen kribbelten.
»Ich war mit ihr dort«, gab Biswick bekannt.
»Dich habe ich nicht gefragt!«, entgegnete der Sheriff.
»Wir haben nichts gesehen«, nuschelte Biswick.
»Ach, wirklich? Jemand, der so meschugge ist wie du, weiß zumindest, wie man richtig lügen kann.«
»Er... lügt... nicht«, stammelte ich. »Wir... er... haben nichts gesehen. Schauerlich.« Das Kribbeln in meinen Händen wanderte langsam die Arme hinauf.
»Und wenn ihr was gesehen
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