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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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die heftige Brise immer noch nicht gelegt hatte. Grandma sagt, das sei der Wüstenwind, der einmal im Jahr durch die Stadt fege und stets schlechte Nachrichten mit sich bringe. Sie nennt ihn den »Schlechte-Nachrichten-Wind«.
    Zwischen den massiven Regalen aus Eichenholz, die auf der einen Seite Bücher über Naturgeschichte und Westtexas, auf der anderen Seite moderne Romane beherbergen, hatte Mama Klappstühle aufgestellt. Fast jeder Stuhl war besetzt,
für die Nachzügler gab es nur noch einige Stehplätze. Als die alten Tanten des Sheriffs, Lovie und Lulie, hereinschlurften, kam natürlich keiner der stolzen Sitzplatzinhaber auf die Idee, sich vom Fleck zu rühren. Schließlich standen Carmen Esparanza und Miss Tunswell, unsere Bibliothekarin, auf und boten den beiden ihre Plätze an.
    Neben den Einheimischen, die eigene literarische Ambitionen verfolgen wie Louis Smeather (der Pilzflüsterer) oder Dorwood Milton (der Möchtegern-Steinbeck), fanden sich hier natürlich auch diejenigen ein, die nach ihrer Grundschulfibel nie wieder ein Buch aufgeschlagen haben. Wadine und Pinell Pigg hatten sogar für mehrere Stunden ihren Supermarkt geschlossen, um sich unter die übrigen Gäste zu quetschen. Und selbst der Einsiedler Bum »Windpocken«-Fox war erschienen, saß in der hinteren Reihe und schüttelte Leuten die Hände, die er seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte.
    Frida Pinkett, die Eigentümerin des Sweet Home Diner, bewachte das kalte Büfett und schlug Dr. Coyote Wilson auf die Hand, als dieser versuchte, sich eine ihrer berühmten Pekannuss-Karamell-Pralinen zu schnappen. Doch als Frida kurz darauf ihren Kopf abwandte, gelang es Yello Brown, sich ein Glas mit Orangenbowle zu angeln.
    Biswick und ich saßen auf Mamas altem Chenillesofa. Das Sofa sollte dem Buchladen eigentlich ein moderneres, nobleres Ambiente verleihen, doch sitzen auf ihm meist die Schnorrer, die nie etwas kaufen, sondern bloß einen kostenlosen Blick in die Klatschblätter werfen wollen. Vom Sofa aus konnten wir die Eingangstür jederzeit im Auge behalten, während wir nervös auf Biswicks Daddy warteten, der bereits eine halbe Stunde überfällig war. Im Stillen wettete ich eins zu hundert, dass er nicht auftauchen würde, und wenn doch, dann bestimmt laut fluchend und triefend wie eine nasse Katze.
    »Er kommt!«, beharrte Biswick, während seine Augen zwischen
dem Podium und der Tür hin- und herwanderten. Ich blickte zu Otis Stunkel hinüber, der den Kragen seines Trenchcoats hochgeschlagen hatte wie ein Gangster. Mona Lisa Venezuela saß an der Kaffeebar und beugte ihren Kopf über ein Buch. Romey und Cairo hatten sich in einem der Gänge versteckt und blätterten vermutlich in einer besonders reißerischen Ausgabe der Cosmopolitan .
    »Ja, er kommt bestimmt«, pflichtete ich Biswick bei, um ihn zu beruhigen. »Kommt Veraleen auch?« Nach dieser Frage kehrte ich zu meinem Notizbuch zurück und malte weiter an meinem Drachen. Es war ein Dichter-Drachen mit einem langen, verfilzten Bart und einer John-Lennon-Brille. Ich blickte rechtzeitig auf, um zu sehen, wie Mama Peaches einen kleinen Reiseführer in ihrer Tasche verschwinden ließ.
    »Nein, die ist bei euch und kocht für deinen Daddy und Bug. Sie mag keine Gedichte«, antwortete er. »Sie sagt, sie versteht nicht, warum die Dichter nicht einfach sagen, was sie eigentlich sagen wollen. Sie sagt auch, dass du Stiefel in den Ofen legen kannst, daraus aber noch lange kein Kuchen wird.«
    Ich nickte zustimmend. Ich mag es lieber, wenn die Dinge schwarz und weiß sind, ohne Zwischentöne, die einen durcheinanderbringen. Ich warf Biswick einen verstohlenen Blick zu. Er sah aus, als müsse er gleich weinen. Er rieb an etwas in seiner Tasche, als wäre es ein Glücksbringer oder so was.
    »Was hast du da?«, fragte ich ihn, während ich zur Tür spähte.
    »Cheeto«, sagte er nur und rieb weiter.
    »Unverständlich. Ich hab doch gesagt, du sollst ihn woanders hintun, damit er nicht zerkrümelt.«
    »Es ist mein Cheeto!«, entgegnete er. „Es geht mir besser, wenn er bei mir ist. Früher hatte ich einen lila Pudel, aber Daddy Jack hat ihn weggeworfen. Jetzt habe ich meinen Cheeto. Au ßerdem wird er nur gestohlen, wenn ich ihn zu Hause lasse.«

    Ich rollte mit den Augen. Argumente waren zwecklos. Dann zerkrümelte er eben. Ich schaute an der Menge vorbei zu Onkel Dal hinüber. Wow. Er lehnte an der Wand, seine Hände lässig in den Hosentaschen, und blickte gleichmütig vor sich

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