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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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hin.
    Lorelei setzte sich zu uns auf die Sofalehne und verrenkte sich den Hals, um die Eingangstür im Auge zu behalten. Sie trug dieselbe Frisur wie Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany , die sie mit zwei straffen Cruella-de-Vil-Haarsträhnen kombinierte. Außerdem hatte sie ihre Lippen im Original-Audrey-Rosa geschminkt und hielt einen todschicken Zigarettenhalter zwischen den Fingern.
    Mama kam zu uns herüber und fragte Biswick sehr freundlich: »Meinst du, er wird bald da sein?« An ihren Ohren baumelten die silbernen Halbmonde, die sie nur zu besonderen Anlässen trägt. Dad hat sie ihr letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt.
    »Er kommt gleich«, antworteten Biswick und ich wie aus einem Mund. Ich zeichnete einen Halbmond über meinen Dichter-Drachen.
    »Das ist gut, Biswick.« Mama tätschelte ihm den Kopf und begann ein Gespräch mit Ferdie Frankmueller.
    Ich blickte auf und sah Gideon in der Ecke mit den Kinderbüchern sitzen. Er schaute mir direkt in die Augen, doch es war kein gewöhnlicher Blick. Eine Frage schien darin zu liegen. Was wollte er von mir?
    Dr. Coyote kam zu uns herüber. »Na, wie geht’s?«, fragte er Biswick, während er an einer Praline knabberte, die er sich unauffällig unter den Nagel gerissen hatte. Biswick nickte, ohne die Ladentür aus den Augen zu lassen. Ich bemerkte, wie der Arzt Biswicks Gesicht aufmerksam musterte, wie ein Wissenschaftler ein äußerst interessantes Studienobjekt. Was er wohl darin entdeckt haben mag? Dann zwinkerte er mir zu und ging weiter.

    Plötzlich entstand ein Tumult an der Tür. Biswick reckte den Hals. Da war er also, der triefende, fluchende Auftritt, den ich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Ich kniff die Augen zusammen, blinzelte jedoch durch die Lider.
    »Was machst du denn hier?«, keifte jemand. Ich riss die Augen auf. Es war Minnie Bupp. Die Menge teilte sich wie das Rote Meer und enthüllte das Objekt ihres Zorns.
    »Ich habe dasselbe Recht hier zu sein wie du, Minnie!«, schrie ihre Schwester Myrtle zurück.
    »Oh nein, du weißt ganz genau, dass ich mich montags, mittwochs und freitags in der Stadt aufhalte. Außerdem hast du bestimmt wieder in der zweiten Reihe geparkt!«, fügte Minnie hinzu.
    »Mabel ist eben zu groß für diese winzigen Parklücken hier!«, gab Myrtle zurück, worauf vereinzelte Lacher zu hören waren. Seit Jahren parkt Myrtle ihren alten hupenden gelben Cadillac schon in der zweiten Reihe, weil sie die Parklinien nicht sieht. Die unzähligen Strafzettel, die ihr Schwager hinter ihre Scheibenwischer klemmt, ignoriert sie einfach.
    »Du fährst mit deinem riesigen Schlitten doch nur meinen Leroy spazieren! Und in der zweiten Reihe parkst du auch nur, um die Aufmerksamkeit meines Mannes zu erregen!«, schrie Minnie. »Aber den wirst du nie kriegen, das sag ich dir!«
    »Dein geiziger Schwachkopf von einem Mann kann mir den Buckel runterrutschen!«, rief Myrtle. »Und nicht ein einziges Mal hast du mich deine Perlen tragen lassen. Deine eigene Schwester!« In diesem Moment begann meine Mutter, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. Sie hatte die Arme erhoben, als Zeichen, dass sie sich beruhigen sollten.
    »Ladys, Ladys«, sagte Mama. »Ich finde es ja sehr schön, dass Sie beide nach vielen Jahren wieder miteinander reden, aber Sie sollten doch versuchen, sich ein wenig zu mäßigen.« Mit diesen Worten trieb sie die beiden langsam, aber bestimmt
dem Ausgang entgegen. Myrtle drängte sich an ihrer Schwester vorbei und riss die Tür auf, worauf ein Windstoß ein paar Bücher vom Tisch fegte. Minnie marschierte ihrer Schwester hinterher, blieb aber plötzlich wie angewurzelt stehen, weil in diesem Moment Jack O’Connor im Türrahmen stand.
    Er schien wieder ganz auf der Höhe zu sein und strahlte nun die undurchdringliche Coolness eines rätselhaften Dichters aus, die sich jeder von ihm erwartet hatte. Er trug eine frisch gebügelte Jeans und ein gestärktes weißes Oberhemd. Ich hörte, dass Biswick tief Luft holte, und fragte mich, ob das ein Zeichen von Angst oder Enttäuschung war. Stattdessen sah ich nichts als Bewunderung. Bewunderung spiegelte sich in den Gesichtern der Gäste, vor allem in Loreleis Miene. Narren. Alles Narren. Außer Onkel Dal. Ohne Jack O’Connor eines Blickes zu würdigen, schlenderte er gemächlich an ihm vorbei und spazierte aus der Tür.
    »Da sind Sie ja!«, sagte Mama schließlich. »Wir haben schon seit … einiger Zeit auf Sie gewartet. Ich freue mich sehr, dass Sie kommen

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