Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde
Festival. Bis nach Neujahr hatten wir Schulferien. Meine Fahrradkörbe waren mit Lebensmitteln von Grandma gefüllt, die Mama in Geschenkpapier eingepackt und mit Bändern geschmückt hatte. Sie hatte darauf gedrängt, dass ich nachschauen sollte, ob er zu Hause war. Wenn nicht, sollte ich die Pakete einfach auf die Stufen seines Wohnwagens legen. »So ein Idiot, haut einfach ab mit diesem hässlichen Köter«, murmelte Grandma mir zu, als ich auf mein Fahrrad stieg. »Zu kalt, Merilee!«, rief sie mir durch die Dunkelheit nach. »Es ist zu kalt!«
Mir wurde klar, dass ich ihn schrecklich vermisste. In der Nacht hatte ich wach gelegen und mich gefragt, wann er endlich zurückkäme. Als ich nun um die Ecke bog und Onkel Dals Pick-up sowie ein schwaches Licht sah, das unter dem Scheunentor
hindurchdrang, hätte ich vor Erleichterung fast aufgeschluchzt.
Er war wieder da.
Ich stellte mein Fahrrad auf den Ständer und begann, die Geschenke aus den Körben zu nehmen. Flynn lag vor der Scheune im Gras und wedelte mit dem Schwanz.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, sagte ich, als ich hineinging. Flynn folgte mir. Onkel Dal stand vor seiner Statue und hatte ein Werkzeug in der Hand. Mir dampfte der Atem aus dem Mund. Selbst hier drinnen war es sehr kalt.
Ich war überrascht, als ich anstelle der Spinnweben eine Lichterkette unter den Dachsparren erblickte. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Normalerweise verschwendete er an Weihnachten keinen Gedanken.
Onkel Dal schaute zu mir herüber. Er hatte nicht erwartet, dass ich irgendetwas sagen würde. Normalerweise setzte ich mich einfach schweigend hin, wenn ich ihn besuchte. Ich betrachtete seine Haare, die für Jumbo immer ein bisschen zu unordentlich waren. Doch heute hatte er sie zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden. Außerdem trug er einen Dreitagebart.
»Warum bist du weggefahren?«, fragte ich, während ich die Geschenke neben dem großen Tisch aufstapelte.
Er musterte schweigend die Statue.
»Ich weiß nicht, Hug«, antwortete er nach einer Weile.
»Onkel Dal?« Sein Gesicht sah im sanften Licht so freundlich aus. »Hug passt nicht zu mir. Eigentlich hasse ich diesen Spitznamen. Lächerlich. Schauerlich.«
Ein vages Lächeln umspielte seine Lippen. Es war das erste Lächeln, das ich seit Langem bei ihm gesehen habe. »Okay, Merilee.«
»Wo ist sie?«
Diesmal schaute er mich nicht einmal an.
»Warum?«, fragte er nur.
»Weil ich sie kennenlernen möchte.«
»Ich hätte nie gedacht, dass du so viele Fragen stellen kannst«, sagte er. Das war nicht böse gemeint. Es entsprach nur der Wahrheit.
»Ich würde gern wissen, wie sie ist. Wegen dir.«
»Das geht nicht, Merilee«, entgegnete er schließlich. »Sie liegt auf dem Friedhof in El Paso.«
Ich ließ diese Mitteilung eine Zeit lang auf mich wirken. Natürlich. Das alles ergab einen Sinn. Im Grunde hätte ich es längst wissen müssen, so wie ich vieles andere weiß. »Du warst also verschwunden, um sie auf dem Friedhof zu besuchen?« Wie überflüssig diese Frage war, begriff ich erst, nachdem ich sie gestellt hatte.
»Yep«, antwortete er.
»Was ist mit ihr passiert?«
»Sie ist krank geworden.«
»Warum musstest du vom Zug abspringen?«, fragte ich. Ich wollte nicht mehr über Friedhöfe sprechen.
»Weil ich kein Geld habe, Merilee«, antwortete er. »Und ich habe keine Lust, irgendjemanden anzubetteln. Ich habe schon Mühe genug, etwas Futter für Flynn aufzutreiben. Also nehme ich manchmal den Zug nach El Paso, um sie zu sehen. Er hält nur in Whiskey, und da ich kein Geld habe, um hierher zurückzufahren, muss ich unterwegs irgendwo abspringen.«
Ich dachte daran, wie sehr ich die Züge vermisste. Und wie sehr sich alles verändert hatte, seit Onkel Dal aus dem Zug gesprungen war. Seit damals bin ich nicht mehr bei den Gleisen gewesen. Ich glaube, ich hatte Angst, Onkel Dal ein weiteres Mal zu sehen. Ich wollte sein Geheimnis nicht erfahren.
»Würdest du mir von ihr erzählen, Onkel Dal? Bitte! Nur dreißig Sekunden lang. Dann werde ich nie wieder nach ihr fragen.«
Er schien mit der Antwort zu kämpfen. Er musste entscheiden, ob er es wagen konnte, mir ein klein wenig von ihr anzuvertrauen. Flynn trottete zu mir herüber und stupste meine Hand mit seiner kalten Nase an. Ich begann, seinen Rücken zu kraulen, und wartete auf eine Antwort. Onkel Dal blickte unverwandt die Statue an.
Eine Minute später sagte er: »Sie war sehr süß, hatte zwei Sommersprossen auf der
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