Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde
Nacht«, sagte Biswick. »Alle haben strahlende Augen, siehst du es auch, Merilee?«
»Das sind nur die Lichter, die sich in den Augen spiegeln, Biswick.«
»Aha...« Er machte ein enttäuschtes Gesicht, während die Jumbo Blaskapelle vorbeimarschierte, gefolgt von den Kolumbusrittern.
»Ich sehe die Dinge eben so, wie sie sind.«
»Ich will den Baum des Konquistadors finden. Heute, in dieser magischen Nacht. Willst du mitkommen, Merilee Außerordentlich? Schau mal!«, rief er aufgeregt, als die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr - die »alten Knacker« - in ihrem altertümlichen Löschwagen vorbeirollten.
Alles einfach hinter sich lassen. Wie Veraleen es tun wollte. Ich hatte schon oft daran gedacht, einfach wegzulaufen, bis
jenseits der Berge. Doch dieser Traum war im Laufe der Zeit verglüht wie eine Sternschnuppe. Ich wusste, dass ich Mama das nicht antun konnte. Ich war an diesen Ort gebunden, ob ich wollte oder nicht.
»Ich will eine Waffel!«, rief Biswick.
»Der Baum des Konquistadors existiert nicht!«, fauchte ich und klang dabei so gemein wie Grandma. Sheriff Bupp fuhr in einer offenen schwarzen Corvette, Baujahr’62, vorbei und schwenkte seinen Hut.
Biswick starrte mich an, als hätte ich einen dicken Marmeladenklecks auf der Nase oder so was. »Ich will hier weg!«, sagte er. Die Majoretten marschierten vorüber. Die Enden der Majorettenstäbe waren mit Leuchtstreifen umwickelt. Ich runzelte die Stirn. War das nur, weil ich nicht mit ihm zusammen den Baum des Konquistadors suchen wollte?
Den Abschluss des Festumzugs bildete ein Ford T, ein Oldtimer, der über und über mit kleinen Lichtern geschmückt war.
»Was ist los?«, fragte ich ihn. Die Menge begann, sich zu zerstreuen, während Biswick einfach vor mir weglief.
Am Spareribs-Stand auf der Grünfläche vor dem Gerichtsgebäude holte ich ihn ein. Die Leute hatten Klappstühle aufgestellt, aßen Wassermelone und knabberten an gebutterten Maiskolben. »Ich dachte, du wolltest eine Waffel«, sagte ich kurzatmig. In einiger Entfernung begann eine Band »Unchained Melody« zu spielen. Die Main Street war gesperrt worden, damit die Leute tanzen konnten.
»Du hast doch mal gesagt, dass du eines Tages weit weggehen willst«, maulte er. »Einmal Spareribs«, sagte er zu Ferdie, die in der Bretterbude stand. Ich zog einen Dollarschein aus meiner Tasche und gab ihn ihr. Sie trug ein Filzgeweih und eine beleuchtete Rudolph-das-Rentier-Nase.
»Hier, mein Junge«, sagte sie und reichte Biswick einen
Pappteller. Er spazierte davon und ich folgte ihm. Ich hatte ein merkwürdig flaues Gefühl im Bauch.
Ein paar Stände weiter stand Daddy für sich allein und aß einen Maiskolben. Sogar er hatte einen leuchtenden Ring um den Hals und eine Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf. Er signalisierte mit einer Kopfbewegung, dass ich zu ihm herüberkommen sollte, doch ich wollte Biswick nicht aus den Augen verlieren. Ich winkte ihm zu und versuchte zu lächeln, damit er nicht traurig war. Auf einmal sah ich ihn vor mir, wie er als Junge aus dem Zug sprang.
Biswick saß auf einer Bank und sah den Leuten beim Tanzen zu. Sein leuchtendes Halsband hatte er weggeworfen. Mit ihren phosphoreszierenden Bändern, die sie um den Hals, an Hand- und Fußgelenken trugen, sahen die Tänzer wie trunkene Außerirdische aus. Sie schienen sehr glücklich zu sein, selbstvergessen glücklich, wie eine große Familie. Bug und Tootie McKelvey hielten sich an den Händen und versuchten, beim Twist ganz bis zum Boden zu kommen. Ich hatte gedacht, dass Biswick bestimmt gerne mittanzen würde. Doch während er ihnen allen zusah, schien seine Laune immer schlechter zu werden.
»Du kannst jetzt nicht weggehen, Biswick. Außerordentlich. Veraleen geht es nicht gut.«
»Sie will, dass ich glücklich bin«, sagte er. Er biss von einem Rippchen ab und legte es wieder hin.
»Sie will, dass du hier bist«, entgegnete ich.
Die Lichter spiegelten sich in seinen Augen. Ich hätte so gerne daran geglaubt, dass dies eine magische Nacht ist. Und ich wollte, dass Biswick glücklich war.
»Wir wollen alle, dass du hier bist«, sagte ich.
»Nein, nicht alle.« Er meinte Grandma.
»Ach, Biswick. Sie lehnt sogar mich ab und sie ist meine eigene Großmutter.« Ich lachte. »Verwunderlich.«
»Warum hasst sie dich?«, fragte er.
»Weil ich nicht perfekt bin«, antwortete ich. »Du weißt schon. Dysfunktion.«
»Nobody’s perfect. Das sagt man doch so.«
»Meine Mutter«, sagte ich. »Deshalb
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