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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ersten, wo das gemeinsame Baden erlaubt wurde. Wir badeten nicht dort – angeblich waren die Strände zu überlaufen. Dann wurde das gemeinsame Baden auch auf der aristokrat i scheren Meadfoot Beach gestattet. Dieser Strand lag gute zwanzig Minuten weiter die Küste hinauf, sodass man über zwei Kilometer zu gehen hatte, aber er war wesen t lich attraktiver als der Damenbadeplatz: Größer und bre i ter, und weit draußen ragte ein Felsen aus dem Wasser, zu dem man hinausschwimmen konnte, wenn man ein guter Schwimmer war. Der Damenbadeplatz blieb weiterhin den Damen vorb e halten, und auch die Männer in ihren Dreieckhosen ließ man in Frieden. Soweit ich mich en t sinnen kann, waren sie nicht b e sonders daran interessiert, die Freuden des Familienbades zu geni e ßen; hartnäckig hielten sie an ihrem Reservat fest. Wenn einer von ihnen nach Meadfoot kam, stürzte ihn der Anblick von Freu n dinnen seiner Schwester in einem, wie sie meinten, Z u stand kaum verhüllter Nacktheit meistens in tödliche Ve r legenheit.
    Anfangs galt die Vorschrift, man müsse beim Baden Strümpfe tr a gen. Ich weiß nicht, wie es die französischen Mädchen schafften, ihre Strümpfe anzubehalten, mir wollte es einfach nicht gelingen. Ich brauc h te nur drei oder vier kräftige Züge zu machen, und die Strümpfe hingen nur mehr lose an meinen Zehen; entweder verlor ich sie oder sie schla n gen sich wie Fesseln um meine Knöchel. Ich vermute, dass die Französi n nen, die man in Badekostümen auf Modebildern sah, nie wir k lich schwammen, sondern vorsichtig ins Wasser stiegen und gleich wieder herauskamen, um sich am Strand zur Schau zu stellen.
    Von der Sitzung des Stadtrats, in der das gemeinsame Baden beider Geschlechter endgültig gebilligt wurde, machte eine rührende Geschichte die Runde. Ein uralter Ratsherr, ein erbi t terter Gegner des Beschlusses, äußerte, da er sich nun geschl a gen sah, mit zittriger Stimme seine letzte Bitte:
    »Wenn schon gemeinsam gebadet werden soll, Herr Bürgermeister, möchte ich zumindest hoffen, dass in den Bademaschinen Trennwände eingebaut werden – wie nie d rig auch immer!«
    Im Sommer brachte Madge Jack mit nach Torquay, und wir badeten praktisch täglich. Wir ließen uns auch von Regen und Sturm nicht abhalten. Im Gegenteil: Bei ra u em Wetter genoss ich die See noch mehr.
    Und dann kam die erste Straßenbahn. Man stieg am u n teren Ende der Burton Road ein und fuhr zum Hafen hinunter: Von dort waren es nur zwanzig Minuten nach Meadfoot. Als Jack fünf Jahre alt war, fing er an zu mu r ren: »Warum nehmen wir keinen Wagen von der Endst a tion bis zum Strand?« – »Kommt nicht infrage«, erwiderte meine Schwester empört. »Wir sind doch die ganze Str e cke mit der Straße n bahn gefahren! Und jetzt gehen wir zum Strand.«
    Mein Neffe seufzte und murmelte: »Mutter zeigt sich wieder mal von ihrer knausrigen Seite.«
    Während wir den Weg hinaufwanderten, der auf beiden Seiten von Villen im italienischen Stil gesäumt war, r e vanchierte sich mein Neffe, de s sen Zunge damals keinen Augenblick still stand, mit einer Art gregorianischem G e sang, der darin b e stand, dass er die Namen der Villen wiederholte, an denen wir vorbeikamen: »Lanka, Pentre a ve, The Elms, Villa Marguerita, Hartly St. George.« Mit der Zeit fügte er auch noch die Namen der ihm bekan n ten Besitzer hinzu, und das ging dann so: »Lanka, Dr. G. Wreford; Pentreave, Dr. Quick; Villa Marguer i ta, Madam Cavallen; The Laureis, weiß ich nicht.« Und so we i ter. Bis Madge oder ich ihm schließlich wütend geboten, en d lich den Mund zu halten.
    »Warum?«
    »Weil wir miteinander reden wollen und nicht mitei n ander reden können, wenn du die ganze Zeit redest und uns unte r brichst.«
    »Na schön.« Jack verfiel in Schweigen. Aber seine Li p pen bewegten sich, und ganz leise tönte es von ihm he r über: »La n ka, Pentreave, The Priory, Torbay Hall…« Madge und ich s a hen uns an und wussten nicht, was wir sagen sollten.
    Einmal im Sommer wären Jack und ich beinahe ertru n ken. Es herrschte raues Wetter. Wir waren nicht bis Meadfoot gegangen, sondern nur bis zum Damenbad e platz; schließlich war Jack noch nicht alt genug, um einen weiblichen Busen erbeben zu lassen. Er konnte d a mals noch nicht schwimmen, oder nur ein paar Züge, und so war es mir zur Gewohnheit geworden, mit ihm auf dem Rücken zum Floß hinauszuschwimmen. An jenem Mo r gen schwammen wir los wie sonst auch, aber die See war irgendwie anders –

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