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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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noch so.
    Zur Abwechslung nahmen wir uns hin und wieder auch Thackeray vor. Den Jahrmarkt der Eitelkeit schafften wir gerade noch, aber mit den Newcomes kamen wir nicht we i ter. »Es sollte uns gefallen«, sagte Mutter. »Die Leute s a gen, es ist sein bestes Buch.«
    Alexandre Dumas’ Werke, die ich auf Französisch las, b e geisterten mich: Die drei Musketiere, Zwanzig Jahre danach, und das schönste von allen, Der Graf von Monte Christo. Am besten gefiel mir der erste Band, Le Ch â teau d’If, aber obwohl mich die anderen siebzehn Bände zuweilen ein wenig verwirrten, war doch das ganze farbige Gedränge der Geschichte bezaubernd. Romantische Gefühle e r weckten in mir auch die sehr guten historischen Romane von Ma u rice Hewlett.
    Mutter hatte zuweilen ganz plötzliche Einfälle. Als ich eines Tages g e rade Fallobst im Garten aufsammelte, kam sie wie ein Wirbelwind aus dem Haus gestürzt. »Schnell«, sagte sie, »wir fahren nach Exeter.«
    »Nach Exeter?«, fragte ich überrascht. »Warum?«
    »Weil Sir Henry Irving dort auftritt. In Becket. Er lebt vie l leicht nicht mehr lange, und du musst ihn sehen. Ein großer Schauspieler. Wenn wir uns beeilen, erwischen wir noch den Zug. Ich habe im Hotel Zimmer reserviert.« Also fuhren wir nach Exeter, und es war wirklich eine herrl i che Aufführung von Becket, die ich nie vergessen habe.
    Das Theater war immer Teil meines Lebens. Wenn ich in Ealing zu Besuch war, führte Oma mich mindestens ein Mal, oft auch zwei Mal in der Woche ins Theater. Wir gingen zu allen Singspielen, und nac h her kaufte sie mir die Noten dazu. Diese Noten – wie gerne habe ich sie g e spielt! In Ealing stand das Klavier im Salon, und so belästigte ich ni e manden, wenn ich stundenlang spielte.
    Der Salon in Ealing war ein herrliches Museumsstück. Man konnte sich praktisch darin nicht bewegen. Auf dem Boden lag ein schwerer prunkvoller persischer Teppich, und darauf standen alle möglichen br o katbespannten Sessel, einer unbequemer als der andere. Der Raum b e herbergte zwei, wenn nicht drei intarsierte Vitrinen für Porzellan, einen großen Kandelaber, mehrere Petroleu m lampen, eine Unmenge Krim s krams, eine Vielzahl von Tischchen, und war im Empirestil ei n gerichtet. Das Licht vom Fenster wurde durch einen Wintergarten g e dämpft, ein Prestigesymbol, das in keinem viktorianischen Haus fehlen durfte, das etwas auf sich hielt. Es war ein sehr kaltes Zimmer, das außer mir kaum jemand betrat. Feuer wu r de nur gemacht, wenn Gäste kamen.
    Ich nahm die Noten nach Torquay mit und spielte dort abends im Schulzimmer (im Winter ebenfalls eiskalt). Ich spie l te, und ich sang. Abends ging Mutter oft schon früh, um acht, zu Bett. Nachdem ich zweieinhalb Stunden lang über ihr auf die Tasten gedroschen und aus vollem Hals gesungen hatte, ertrug sie es nicht länger. Sie nahm eine lange Stange, die dazu diente, die Fenster auf und ab zu schieben, und klopfte damit verzweifelt an die Decke. Mit Bedauern klappte ich dann das Klavier zu.
    Ich dachte mir auch eine Oper aus, die ich Marjorie bet i telte. Ich möchte nicht so weit gehen zu sagen, dass ich sie komp o nierte, aber ich sang einige Bruchstücke zu Versuchszwecken im Garten. Ich hatte eine vage Vorste l lung, dass ich tatsächlich einmal im Stande sein würde zu komponieren. Ich weiß die Handlung nicht mehr im Ei n zelnen, aber sie war ziemlich tr a gisch. Die Hauptfigur war ein schöner junger Mann mit einer herrlichen Teno r stimme, der ein Mädchen namens Marjorie glühend lie b te; natürlich erwiderte sie seine Liebe nicht. Schließlich heiratete er eine andere, aber am Tag nach der Hochzeit kam ein Brief von Marjorie aus einem fernen Land, in dem sie ihm schrieb, sie läge im Sterben und hätte nun e r kannt, dass auch sie ihn liebte. Er verließ seine junge Frau und eilte unverzüglich zu Marjorie. Bei seiner A n kunft war sie noch nicht ganz tot – sie hatte jedenfalls noch genügend Leben s kraft, um sich aufzustützen und eine zu Herzen gehende Liebes- und Sterbearie zu si n gen. Der Vater der Braut kam, um seine verlassene Tochter zu rächen, war aber vom Schmerz der Liebenden so tief gerührt, dass er mit seiner Baritonstimme in ihr Klagelied einstimmte – womit eines der ergre i fendsten Terzette, das je geschrieben wurde, die Oper beendete.
    Einmal kam mich auch die Lust an, einen Roman zu schreiben; er sol l te Agnes heißen. Davon habe ich noch weniger im Gedächtnis behalten. Vier Schwestern kamen darin vor.

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