Meine gute alte Zeit - Teil I
Queenie, die Älteste, goldblond und wunde r schön, zwei Zwillinge, hübsch und dunkel, und schlie ß lich Agnes; sie war unscheinbar, schüchtern und (natü r lich) von schwacher Gesun d heit und lag geduldig auf dem Sofa. Es gab eine Reihe von Verwechslu n gen, die ich vergessen habe. Ich weiß nur noch, dass ein Mann von vornehmer Gesinnung und mit einem schwa r zen Schnurrbart am Ende i h ren wahren Wert erkannte. Der Zufall wollte es, dass sie selbst diesen Mann seit Jahren heimlich g e liebt hatte!
Dann fiel Mutter plötzlich ein, dass meine Erziehung vie l leicht doch noch zu wünschen übrig ließ und dass mir ein w e nig Bildung guttun würde. Es gab in Torquay eine Mädche n schule, die von einer Miss Guyer geleitet wurde, und Mutter traf eine Vereinbarung, wonach ich zweimal in der Woche hingehen und gewisse Fächer studieren sollte. Das eine war, glaube ich, Mathematik, und dann noch Grammatik und Au f satz. Mathematik machte mir Spaß, möglicherweise fing ich dort auch mit Algebra an. Grammatik war für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Ich konnte nicht einsehen, warum gewisse Wörter U m standswörter hießen, und was Tätigkeitswörter eigentlich taten. Die ganze Sache kam mir spanisch vor. B e geistert stürzte ich mich auf den Aufsatz – begeistert, aber nicht eben erfolgreich. Die Kritik war immer die gleiche: Me i ne Aufsätze waren zu fantasievoll; ich bliebe nicht beim Thema, hieß es. An einen erinnere ich mich noch. »Herbst« lautete der Titel. Ich fing ganz orden t lich an, mit gelben und braunen Blättern und so, aber unvermittelt tauc h te dann plötzlich ein Schwein auf – möglicherweise grub es im Wald Eicheln aus. Jedenfalls ko n zentrierte ich mich auf das Schwein, vergaß den ganzen Herbst, und der Aufsatz endete mit den romantischen Abenteuern von Ringelschwänzchen, dem Schwein, und einer fanta s tischen Bucheckernparty, zu der es seine Freunde einlud.
An eine der Lehrerinnen erinnere ich mich – ihren N a men habe ich vergessen. Sie war mager und klein gewac h sen und hatte ein vorstehe n des Kinn. Ganz unerwartet (mitten in einer Mathematikstunde) ließ sie eines Tages eine Rede über Leben und Religion vom Stapel. »Ihr alle – jede einzelne von euch – werdet einmal eine Zeit der Hoffnungslosigkeit durchmachen. Wer nie in eine ve r zweifelte Lage gekommen ist, wird nie eine wahre Chri s tin geworden sein oder ein christliches Leben ke n nen gelernt haben. Um Christin zu sein, müsst ihr dem Leben ins Auge sehen und ihm die Stirn bieten, so wie Chri s tus dem Leben ins Auge gesehen und ihm die Stirn geboten hat. Ihr müsst euch der Dinge erfreuen, deren Er sich erfreut hat; müsst so glücklich sein, wie Er es bei der Hochzeit zu Kana war, müsst den Frieden und die Glückseligkeit entdecken, die der genießt, der sich Gott und Gottes Willen unterwirft. Aber ihr müsst auch erfa h ren, wie Er es erfahren hat, was es heißt, im Garten Gethsemane allein zu ble i ben mit dem Gefühl, dass alle deine Freunde dich verlassen haben, dass jene, die du lie b test und denen du dein Vertrauen schenktest, sich von dir abgewendet haben, und dass Gott selbst dich verla s sen hat. Dann halte an dem Glauben fest, dass das nicht das Ende ist. Wenn ihr liebt, werdet ihr leiden, und wenn ihr nicht liebt, werdet ihr niemals die Bedeutung eines christlichen Lebens begreifen.«
Worauf sie mit gewohnter Energie auf die Zinseszin s rechnung zurückkam. Aber es ist doch seltsam, dass mir diese Worte – mehr als jede Predigt, die ich je gehört h a be – im Gedächtnis haften geblieben sind und viele Jahre später zu einer Zeit neue Hoffnung gegeben h a ben, als ich von tiefer Verzweiflung erfüllt war. Sie war eine d y nam i sche Frau und auch eine gute Lehrerin. Ich wollte, ich hätte länger ihre Schülerin ble i ben dürfen.
Manchmal frage ich mich, was geschehen wäre, wenn ich meine St u dien an dieser Schule fortgesetzt hätte. Ich hätte wohl Fortschritte gemacht und wäre von Begeist e rung für Mathematik erfasst worden – ein Fach, das mich immer fasziniert hat. Sicher wäre mein Leben anders ve r laufen. Ich wäre eine dritt- oder viertklassige Mathemat i kerin gewo r den und hätte ein glückliches und zufriedenes Leben geführt. Wah r scheinlich würde ich keine Bücher geschrieben haben. Math e matik und Musik würden mir genügt, mich ausgefüllt und mir den Zugang zu der Welt der Fantasie ve r sperrt haben.
Aber wenn ich es so recht überlege, ist man doch das, was man we r
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