Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
aufwuchsen.
Ich lese gerne Briefe aus jener Zeit. Briefe sind nicht wie Geschichtsbücher, in denen es immer um große Epochen und berühmte
Leute geht. In den Briefen hingegen reden einfache Leute wie mein Onkel oder mein Vater. Wenn du 1918 in dein Dorf zurückgekommen
bist, dann warst du entweder gesund oder am Arsch. Man redete mit meinem Vater nicht über diesen Krieg. Das hätte ja bedeutet,
ihn daran zu erinnern, dass er verwundet heimgekehrt war. Ich glaube, man wollte ihn einfach nicht bemitleiden.
Und Großvater und sein Stock hatten schließlich recht, diesen Touristen zu misstrauen, diesen Eindringlingen.
Nachdem er ihnen zwei Jahre lang mit seinem Geschrei im Hof auf die Nerven gegangen war, sperrten sie ihn in einen Stall,
auf seinem eigenen Hof. Das war ein neuer Kommandant.
Mein lustiger und kluger Großvater redete nicht mehr, nicht ein Wort. Er, der immer aus demselben Teller gegessen hatte, der
nie einen anderen benutzt hatte, der immer seine kleinen Gewohnheiten gehabt hatte – dass man ihnaus seinem Haus vertrieb, kostete ihn das Leben. Er hielt nur einen Monat durch. Wir konnten ihn nicht bei uns aufnehmen,
da wir ja schon die behinderte Großmutter mütterlicherseits bei uns hatten. Wir hatten einfach nicht genug Platz.
Er ist in einem Stall gestorben, einem winzigen Geviert, in dem man früher Feuer machte und bei großen Familienfesten kochte;
in dem meine Tante während des Kriegs Kaffeebohnen mahlte und geröstete Gerste und noch etwas, an dessen Namen ich mich nicht
mehr erinnere.
Er, der eines der größten Häuser in Auderville besaß, ist eingesperrt gestorben, in seinem eigenen Schützengraben, wo er als
einzige Waffe einen Stock besaß, mit dem er nicht mehr zu kämpfen wagte.
Die Waffe der Armen.
Ich höre ihn noch, wie er in seinem Hof tobte und den unglücklichen Frauen die übelsten Beschimpfungen an den Kopf warf. Sie
fürchteten ihn mehr als den Krieg. Er hat seinen eigenen Krieg geführt. Er hat ihn nicht gewonnen, aber was für eine Courage!
Sein Enkel hat ihn auch einige Jahrzehnte danach noch nicht vergessen. Wenn heute wieder Krieg wäre, würde ich mir als Erstes
so einen Stock schneiden und würde, wie er, bis an mein Lebensende aufpassen wie ein Schießhund.
Denn die Freiheit, die trage ich in mir.
Das Signal des Leuchtturms
Als ich noch ein Kind war, gab der Leuchtturm von Goury einen würdevollen Signalton von sich. Heute klingt er eher wie eine
Autohupe. Damals folgte das Signal auf den Lichtkegel. Ein lautes Geräusch wie Luft, die aus einem Druckluftbehälter entweicht.
Dieses Geräusch begleitete uns bei der Arbeit.
Der Leuchtturm auf der Insel d’Aurigny gibt vier Mal Signal und blinkt vier Mal, der unsrige ist nur einfach getaktet, ein
Blinken, ein Signalton. Während des Krieges war er nicht in Betrieb, man hat die Leere gespürt. Die Engländer hatten ihm den
Fuß torpediert. Wenn sie ihn völlig zerstört hätten, hätte das die ganze Landschaft verändert. Man hätte ihn nie mehr so aufbauen
können, so ist er heute immer noch wie früher.
Der Leuchtturm gehört zum Meer und zur Schifffahrt, aber natürlich spielt er auch für uns, die Bewohner von La Hague, eine
große Rolle. Du hast ihn immer vor der Nase, auch wenn du ihn gar nicht sehen willst. Du hörst ihn und du siehst ihn, vor
allem nachts, trotz des Lichtschutzes, den man uns immer für die Giebelfenster verordnen will und der uns so nebenbei das
Mondlicht raubt.
Auch heute noch leuchtet der Leuchtturm regelmäßig in mein Bett. Und wenn ich seinen Strahl nicht sehe, weiß ich schon, welches
Wetter wir haben. Höre ich den Wind, ohne im Schlaf das Licht wahrzunehmen, sage ichmir: »Schau mal an, bald haben wir wieder Nebel. Dann ist der Leuchtturm weg und ruft gleich um Hilfe.«
Und prompt höre ich bald darauf, wie er Signal gibt. Sein Licht und sein Blöken, das ist wie eine zweite Decke. Du hast einen
Gefährten und lächelst ihm zu. Du sprichst mit ihm, ohne ein Wort zu sagen.
Ich habe ihn 1947 besichtigt. Die Leuchtturmwärter haben uns eingeladen.
Drinnen ist es feuchter und kühler als draußen.
Die seltsamen Fenster jagen dir eine Gänsehaut über den Rücken, einladend sind die nicht. Da die Fensterlaibung zwei Meter
tief ist, musst du dich hinlegen, damit du hinaussehen kannst. Du kannst nicht stehen bleiben und den Tag begrüßen. Superpraktisch!
Das ist ironisch gemeint.
Was muss man da drin für ein Leben führen.
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