Meine Kuehe sind huebsch, weil sie Blumen fressen
diese:
»Ist eine Kuh glücklich?«
Dann feixen sie immer so ein bisschen herum, aber im Grunde wissen sie nicht, was sie darauf antworten sollen. Das ist wie
mit der Liebe. Meine Schwestern und ich lieben unsere Kühe. Es macht mir nichts aus, das zuzugeben. Eines Tages bin ich mit
so einer Landwirtschaftsklasse in einen modernen Stall gegangen. Ich habe nichts gesagt, mir blieben nämlich die Worte im
Hals stecken. Der Lehrer hat es bemerkt und mich gefragt:
»Das gefällt Ihnen nicht?«
Ich habe geantwortet:
»Wir befinden uns im Zeitalter der schwanz- und hornlosen Kuh. Vierundzwanzig Stück! Bedauernswerte Milchmaschinen … denen man die Hörner absägt, damit sie auf dem winzigen Raum, den man ihnen lässt, den Viehhalter nicht verletzen. Da muss
man doch nur das Plakat für die nächste Landwirtschaftsmesse ansehen. Das ist keine Kuh, das ist ein Außerirdischer. Eine
Kuh ohne Hörner, die nicht einmal mehr nach Kuh aussieht. Sie ist wirklich hässlich wie ein Baum, dem man alle Äste abgeschnitten
hat. Aber wahrscheinlich geht es bloß darum, dass sie mit den Hörnern nicht durch das kleine Loch kommt, das sie vom Futternapf
trennt. Dann sägt oder brennt man ihnen eben die Hörner ab. Vermutlich werden sie ohnehin bald nur noch Tiere züchten, die
winzige Hörner haben. Und in der Werbung sieht man dann lachende Kühe. Wie wäre es denn, wenn man denen mal die Hörner absägte?
Und den Schwanz schneidet man ihnen aus hygienischen Gründen ab. Die E U-Gesetze .«
Ich mag es, mit den jungen Leuten zu reden. Aber ich ziehe es vor, dass sie zu mir kommen. Wenn ich sie begleite, ist es nicht
dasselbe. Dann sehe ich, wie die Tiere leiden und habe das Gefühl, man habe all das mir angetan.Wenn man nur darüber reden hört, das geht noch, aber wenn man es selbst sieht … Das sind doch keine Kühe mehr, das sind Milchbatterien. Sie heben den Kopf schon gar nicht mehr, wenn jemand vorbeigeht,
ob Erwachsener oder Kind. Sie bewegen den Schwanz nicht mehr, wenn du näher kommst. Sie danken es dir nicht mit den Augen,
wenn du ihnen eine Handvoll Heu gibst. Ich habe es versucht, aber das Heu interessiert sie genauso wenig wie alles andere.
Sie starren nur ihre Fertignahrung an. Die Kühe in so einem Laden deprimieren mich.
Ich kann den jungen Leuten zeigen, wo ich glücklich bin. Das verstehen sie. Manchmal sind ihre Hände schon braun wie die der
Seeleute. Das riecht nach Frost und Arbeit. Man sieht es an den Nägeln, gerade bei den Mädchen. Du siehst sofort: Diese jungen
Leute sind, wie ich in ihrem Alter war. Sie haben Hoffnungen, Träume, Zweifel und Bauernhände, in deren Furchen die Erde sitzt.
Ich fühle mich ganz klein neben ihnen, weil es mich tief berührt, dass da Nachfolger sind, dass es weiterhin Bauern geben
wird. Das aber möchte ich ihnen mit auf den Weg geben: Noch vor eurem Beruf müsst ihr euer Privatleben auf die Reihe bekommen.
Gründet eine Familie. Bleibt nicht allein auf eurem Stück Land. Wir sollten uns nicht mit Leib und Seele unserem Beruf verschreiben.
Und damit der Einsamkeit.
Ich hatte Glück. Ich habe eine Familie. Nicht alle Bauern haben so viel Glück. Ich weiß, dass viele unglücklich sind, weil
sie so allein sind, und das wünsche ich niemandem. Niemand will das.
Auch ein froher Bauer ist glücklicher, wenn er eine Gefährtin hat …
Die Schwestern sind da offensichtlich anderer Meinung. Sie sagen, es tue ihnen nicht leid, dass sie sozusagen übrig geblieben
sind. Aber sie mussten sich auch nicht entscheiden, ob sie in La Hague bleiben oder in einen anderen Teil des Landes gehen
wollten. Françoise hat immer eine schöne Antwort parat, wenn es um dieses Thema geht. Sie sagt, das Ganze habe nun mal mit
Liebe zu tun, und Liebe fällt halt nicht einfach vom Himmel wie der Regen.
Auf Pauls Art
Eine kleine Tour aufs Feld. Im Oktober mache ich zu, nach der Ernte wird umgepflügt. Ich habe abgewartet, die Wurzeln des
Getreides sind nun vertrocknet. Ich belüfte die Erdoberfläche, indem ich mit dem Traktor im Kreis pflüge, aber nicht besonders
tief, höchstens fünf oder sechs Zentimeter. Ich fahre mit dem Pflug drüber und ziehe kleine Furchen. So werden die Wurzeln
und die übrig gebliebenen Stängel herausgezogen, die Pflanze hört auf zu wachsen.
Das Feld macht zu. Es hat gut getragen, jetzt hoffe ich auf eine bessere Ernte im nächsten Jahr. Ich hoffe immer auf eine
bessere Ernte. Wenn ich – symbolträchtig
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