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Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
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Zeit bei sich getragen haben muss – vermutlich 1932 in Berlin aufgenommen. Es zeigt ihn zur Zeit ihres Kennenlernens, als sie sich ineinander verliebten. Als eine gemeinsame Zukunft noch möglich erschien – eine Zukunft mit Kindern, eine Zukunft, in der Charlotte anfängt, bürgerliche Träume von einem behaglichen Zuhause zu hegen. Wie viele Male wird sie dieses Foto betrachtet haben? Sein blondes Haar, seinen weichen Mund,
der die Andeutung eines feinen Lächelns umspielt – seinen freundlich-intelligenten Blick hinter den Brillengläsern. Gekleidet in Schlips und Sakko – dieser zeitlose, maskuline Anzug lässt ihn noch gegenwärtiger erscheinen; fast, als sei es heute erst aufgenommen worden. Oder höchstens gestern. Blonde Burschen mit blauen Augen, abenteuerlustige Burschen. Kindische Burschen, idealistische Burschen. Das ist ihr »Typ«. Typ Papa? Typ Otto?

    Heinrich Kurella, vermutlich 1932.
    Aber die Kopie der Kaderakte, die Reinhard Müller mir überlassen hat, enthält mehr als Fotografien – weit mehr. Sie enthält seine eigenen Worte. Seine Autobiografie.
    Heinrich Kurellas Autobiografie (bis 1933) aus den Kaderakten vom 8. Juli 1936
    »Ich bin im Jahre 1905 in Ahrweiler/Rheinland-Pfalz als Sohn des Arztes Hans Kurella geboren. In Dresden ging ich aufs Gymnasium bis zur Quarta [4. Klasse] und kam dann in die Freie Schulgemeinde Wickersdorf [liegt in Sachsen], wo ich die dortige Oberrealschule bis zur Oberprima absolvierte. In Wickersdorf kam ich zum ersten Mal mit der Bewegung in Berührung, und zwar durch den Genossen Fritz Houtermans, jetzt in Charkow am Physikalischen Institut. Im Wintersemester 1924 war ich an der Berliner Universität eingeschrieben und im Sommersemester 1924 in Erlangen (juristische Fakultät). Nach Ende des Sommersemesters 1924
ging ich nach Berlin und begann dort als Berichterstatter der Wirtschaftsnachrichtenagentur ›Kontinentkorrespondenz‹ zu arbeiten. Im September 1924 trat ich in Berlin Schöneberg der KJ [der Kommunistischen Jugendbewegung] bei, aus welcher Zeit mich die Genossin Käthe Rüdiger und Schröder ( KI ) kennen. Im Mai 1925 ging ich für die ›K-Korrespondenz‹ als Berichterstatter nach London und erhielt dort den Bescheid, ich solle nach Moskau kommen, um in der Informationsabteilung der KJI wegen meiner Sprachkenntnisse zu arbeiten. Ich kam im August 1925 nach Moskau und arbeitete dort bis zum August 1927 in der Informationsabteilung, zum Schluss als Leiter dieser Abteilung. In der Jugend war ich damals Mitglied des Büros der Jugendzelle des EKKI . Aus dieser Zeit kennen mich die Genossen Magnus, Mehring, Miller (durch Kuusinen) usw. Im August 1927 ging ich nach Berlin zurück und begann dort, in der Inprekorr als Übersetzer zu arbeiten. Ich begann wieder, im 11. Bezirk der Jugend (Schöneberg) zu arbeiten, wo ich zuerst zum Mitglied der Unterbezirksleitung und dann zum Polleiter des 11. Unterbezirks gewählt wurde. Aus dieser Zeit kennt mich von in Moskau anwesenden Genossen der Genosse Gabor. Im Januar 1928 trat ich in die Partei ein. […] Im Dezember 1928 trat ich auf verschiedenen Sitzungen – Berliner Polleitersitzungen und Funktionärsversammlungen der Berliner KJ – gegen die Gewerkschaftspolitik der Partei auf, wobei ich mich besonders gegen die Perspektive der Schaffung eigener Gewerkschaften richtete. Ich geriet damit faktisch auf die Linie der Versöhnler, was sich Werner Jurr damals zum Anlass nahm, um an mich und die Agitpropleiter des II . Bezirkes Pinkus sowie an seinen Bruder Hans Jurr mit dem Vorschlag heranzutreten, ›enge Beziehungen‹ zu ihnen aufzunehmen, d.h. fraktionelle Bindungen. Mir wurde erst damals klar, wohin ich durch meine Stellung geraten war, weshalb ich zur Unterbezirksleitung der Partei ging und ihr über alles berich
tete. Diese beauftragte mich damals, der Mitgliedschaft des Bezirkes selber meine Fehler klar zu machen und als Polleiter zurückzutreten, was auch durchgeführt wurde. Im Auftrag der Partei übernahm ich dann die Leitung der Jungsturmabteilung im II . Bezirk, die halblegal bestand. […]«
    Während dieser ganzen Zeit, so Kurella, habe er in der Inprekorr , wo er dann Redakteur wurde, gearbeitet. Diese sei Anfang 1931 dadurch unterbrochen worden, dass er ein Jahr in Gollnow habe einsitzen müssen. Danach sei er im Herbst 1932 nach Moskau gegangen und habe danach in Berlin als Redakteur für die Inprekorr gearbeitet und in der Zelle Lützowplatz aktiv an der Parteiarbeit teilgenommen, danach

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