Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Mutter, die Gräfin

Meine Mutter, die Gräfin

Titel: Meine Mutter, die Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Hirdman
Vom Netzwerk:
vielleicht fünf Mal Kurella im Sojusnaja. Sie waren also Freunde – hatten freundschaftlichen Umgang gehabt.

    Dann stürzte sich die Meute auf ihn: Genosse Mehring, Genosse Krylowa und Genosse Sjubin: Und Ihre Zusammenarbeit mit Béla Kun? Und die Parteisäuberung von 1934? Da musste man Ihnen wahrlich alles aus der Nase ziehen. Was ist mit Ihrem Bruder Alfred, und warum haben Sie mit Neumann Kontakt gepflegt – ja, nach Süßkind ist Ihr Umgang mit Neumann der strittigste. Warum hat er sich mit dem Typen abgegeben?
    Doch auch wenn er seinen Freund Süßkind geopfert hat, so opfert er noch nicht seinen Freund Neumann. Aufrichtig erzählt er, dass sie, als sie sich in den Zwanzigerjahren in Berlin begegnet seien, auf verschiedenen Seiten gestanden hätten und dass sie erst in Zürich Freunde geworden seien. Und dann sagt er: »Die Frau des Genossen Neumann ist meine frühere Frau.«
    Jetzt geht mir ein Licht auf: Jetzt verstehe ich, warum Grete Heini in der Festung Gollnow besuchte. Warum er trotz allem hier und da in ihrer Schilderung der Zwanzigerjahre in Berlin vorkommt. Warum Kurella so wütend auf ihre Bekanntschaft mit Neumann reagiert hatte – dieser Stalinist, einen schönen Geschmack hast Du! – Warum es Heinz Neumann so schwer fiel, ausgerechnet von Kurella Hilfe anzunehmen. Grete und Heini hatten sich geliebt. Warum hat sie das in ihren Memoiren nicht erwähnen können? Warum diese plötzliche Zurückhaltung in diesen Kreisen? Sie hatten also viel gemeinsam, meine Mutter und Grete. Nichts, über das man sich aufregen müsste, im Gegenteil. Und doch. Da wäre ein kleines blondgelocktes Mädchen – und hier eine ehemalige »Frau« …
    Doch zurück zur Versammlung. Man wandte sich nun seinem Bruder Alfred zu, der im Februar 1935 in Ungnade gefallen war – er hatte an einem geselligen Abend ehemaliger Funktionäre der Kommunistischen Jugendinternationale teilgenommen und infolgedessen eine strenge Rüge erhalten.
Und noch war er nicht wieder ganz in Gnaden aufgenommen worden. Erst 1937 sollte er wieder rehabilitiert werden und die sowjetische Staatsbürgerschaft erhalten. An diesem Abend aber geht sein kleiner Bruder Heini zu ihm auf Distanz. »Ich verkehre sehr wenig mit ihm«, so Heini, »nur alle zwei Wochen oder einmal im Monat, und das rein freundschaftlich.«

    Februar 1935: Alfred in Ungnaden, Pieck verfasst seinen Artikel, der sich gegen die »Versöhnler« richtet, Houtermans kommt zu Besuch, Lottie schreibt ihren Brief an Müller/Brückmann – in Moskau ist es kalt, sehr kalt, und jetzt ist der Moment, da sie nach der Hand des anderen greifen.

    Aber noch ist sie nicht vorbei, die Versammlung vom 15. September 1936 in Moskau; die Zeit vergeht, Fragen prasseln auf den blonden Jüngling ein. Ich stelle mir vor, dass sie rauchen, sodass ein grauer Schleier über dem Tisch hängt, um den sie sich scharen – die Genossen, die Scharfrichter.
    Und sie quälen ihn.
    Scholdak: Und wie, glauben Sie, hätten Sie in so einer Situation reagiert – Sie erinnern sich an nichts, Sie haben nicht bemerkt, was diese Banditen planten. Sie kennen David. Kennen Berman-Jurin. Kennen Emel. Sie haben Umgang mit Süßkind gehabt. Wie beurteilen Sie Ihre Vergangenheit mit diesen Banditen?
    Kurella: Ich habe zu keinem außer Süßkind Umgang gepflegt.
    Scholdak: Haben Sie eine Idee, wie man wachsamer sein kann?
    Kurella: Indem wir von den sowjetischen Genossen lernen.
    Scholdak: Sie haben keine Idee?! ( Er lehnt sich vor, gibt seine Achtung gebietende Vorsitzendenrolle auf, duzt ihn.) Du musst
dir doch Gedanken darüber gemacht haben? Wenn nicht, dann nicht!
    Kurella: Ich muss mir immer wieder sagen, so, wie du bisher gelebt hast, wie die Geschichte bewiesen hat, war es unzureichend, und ich habe mir gesagt, dass ich, wenn ich zurückkomme, die Frage stellen muss, wie ich es im Allgemeinen machen soll, um schärfer aufzupassen. Ich habe mir überlegt, ist das natürlich oder nicht, ist das erklärlich oder nicht. Das ist meine allgemeine Erklärung.
    Aber das reichte nicht! Es stehen noch über zehn Seiten des Protokolls aus. Und jetzt ist Neumann das Problem. Ja, wie das sei, fragt ihn Genosse Werner, der ja auch seine bolschewistische Wachsamkeit demonstrieren muss, wie das sei mit ihrem Umgang? Kurella:

    »Ich weiß, Genossen, diese Ereignisse, dass ich eine Reihe dieser Leute persönlich gekannt habe, in der Lage war, wo es leicht war, diese Leute zu entlarven. Die Zusammensetzung der 16 Leute hat mich von früh

Weitere Kostenlose Bücher