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Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Titel: Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Steimle
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Nebel auf und verschwand gleich darauf wieder. Nicht ohne Uwe anzulächeln. Mutters Lächeln erschien manchmal vor einem
riesigen Feuermaul. Der Kessel fauchte lichterloh und gierte nach immer neuen Holzscheiten, die Mutter ihm bereitwillig in den Rachen warf.
    Alle Elemente waren auf engstem Raum verbunden: ein Blumenfenster, Waschhausnebel und Kesselfeuer. Alles drehte sich wie im Tanz um- und miteinander. »Das war sie, das müsste sie sein«, dachte Uwe, »die Himmelhölle.« Uwe tanzte mit dem Waschwolf. Und seine Mutter dirigierte das ganze große Waschhaus, die Laken dabei immer wieder zurechtweisend:
    Bleibt, wo ihr seid, ihr Laken, erst kommen die Kopfkissen dran. Die warten auch.
    Und tatsächlich: die gewendeten Kissen flogen durch die Luft und verabschiedeten traurig die letzten Mutzeln aus der äußersten Kopfkissenecke. Mutzeln im Flug, Mutter ebenfalls, und wie im Fluge verging auch die Zeit.
    »Mutti, müssen wir wirklich mangeln gehen? Ich hab’ Angst. Vati sagt, Bügeln tut’s auch.«
    »Ja, in Thüringen vielleicht, wo dein Vater herkommt, tut’s Bügeln. Aber hier sind wir in Sachsen, und da wird gemangelt, das ist a) sauberer, b) geht schneller und c) kostet nicht so viel Zeit.«
    Da waren sie wieder, die Glaubenskämpfe zwischen Bügeln und Mangeln,
    Sachsen und Thüringen,
    Mutter und Vater.
    Unangefochtener Sieger, wie könnte es anders sein, blieb am Ende Sachsen.

Immer vorneweg
    Wieder einmal Makkaroni mit Jagdwurst und Tomatensoße – genau: Wieder einmal Sonnabendmittag in der DDR.
    Kann es sein, dass es in 80% aller DDR-Familien am Sonnabend ebendieses eine Mahl gab?
    Und allen schmeckte es offenbar gleich gut.
    Was aß man denn in den 70-ern am Sonnabendmittag in der ehemaligen BRD?
    Ich denke jetzt mal, Sie ahnen, was ich vermute: Spaghetti à la Roma, also Mirakuli, mit Bierschinken und Ketchup.
    Jedenfalls entbrannte bei uns zu Hause nach dem Mittagsmahl die stetige Frage, wer denn nun abwäscht. Und natürlich bot sich Vati immer bereitwillig an, mit dem Hinweis, dass so ein Schönheitsschlaf nach dem Mittag nicht zu verachten wäre. Nur Mutti quittierte dies mit einem mitleidigen Augenzwinkern und der Bemerkung, dass sie erstens schon schön genug sei für meinen Vater und außerdem: »Selbst wenn ich dich jetzt an de Döppe ließe, ich müsste es doch hinterher sowieso noch ma machen, ne, da mach ich lieber alles dlei in em Offwasch. Karl Heinz, mach du mal eh kleines Verdauungsschläfchen, ich weck dich dann zum Kaffee.«
    So kam mein Vati immer zu seinem Verdauungs- und Schönheitsschlaf und meine Mutti immer zu ihrem Abwasch.
    Ein einziges Mal war es anders herum. Seitdem hieß es bei uns zu Hause immer: »Karl Heinz, lass mal, du trocknest nicht richtig ab.«
    Dasselbe vollzog sich beim Leineziehen bei der großen Wäsche. Meine Mutti auch hier immer vorneweg! Vati durfte allenfalls den Knoten fest nachziehen und, wenn er gespurt hatte, Klammern reichen, aber auch nur, wenn er vorher Mutti
die Hitsche (Fußbank) ordnungsgemäß präsentiert hatte, damit sie diese wie einen Thron besteigen konnte und, so posierend, geschickt den steimlischen Wäscheleinespezialdoppelknoten um den Haken schlang.
    Warum meine Mutter gummistiefelbestückt immer vorneweg strebte? Weil nur bei ihr der nötige Zuch drin war, die Wäscheleine extra gespannt und somit bereit, Doppellaken und Kopfkissen, holzklammerversehen aufzunehmen. Hätte der steimlische Muttizug gefehlt, so hätte es auch keiner Wäschestützen bedurft; die aber waren stolzer Familienbesitz und wurden nicht nur weitervererbt, sondern bekrönten – königlichen Standarten gleich – »de Wäsche«. Erst wenn alle acht Stützen sich unter den Leinen aufgepflanzt der anliegenden Hausgemeinschaft stolz präsentierten, war die Wäsche »fast ferdsch«. Nun musste sie nur noch abgenommen, gelegt, gemangelt und verstaut werden … natürlich mit einem Stückchen Seife dazwischen ... »Lilienmilch«.
    Bis zum nächsten Donnerstag in vier Wochen, wenn es wieder hieß: »Große Wäsche.«
    Aber bis dahin hatte Mutti die Gardinen unserer Wohnung schon wieder einmal komplett mit durchgewaschen. Ja, und wenn ich fragte: »Mutti, warum wäschst du schon wieder Gardinen?«, so antwortete sie in aller Seelenruhe: »Uwe, das verstehst du ni, und außerdem warnse dran.«
    »Aber Mutti, die warn doch erst vor drei Wochen dran!« Dann aber bekam ich serviert, und zwar gardinensteif: »Uwe, die Gardinen sind fällig, nu, und eh se wieder

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