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Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)

Titel: Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Steimle
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sächsische Wort des Jahres
Teil I
    Es gilt heute ein Wort zu ehren, das es in sich hat. Das Wort ist feinmelodiös, herzig und unendlich warm . . . Wie mir Sachsen. Ja, das Wort passt zu uns!
    Als Sächsisch noch Hochdeutsch war, muss dieses Wort als Sinnbild für alles Liebliche und Warme gegolten haben, so unendlich »weech« kam es daher.
    Apropos warm: Was war denn das überhaupt für äh Sommer dies Jahr, hä? Einen Tag 34° C, den nächsten Tag 17° C! So äh Wetter gab’s doch unter de Kommunisten gar ne! Mir hatten noch echte Jahreszeiten: Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
    Auch bekannt als die vier Feinde des Sozialismus, mittlerweile auch des Kapitalismus. Natürlich, im März war das Streusalz alle! Hätte die BRD in Streusalz investiert, jawohl Streusalz als Rettungsschirm für . . . Uns wäre einiges erspart geblieben. Also bitte, tragen wir zusammen – gemeinsam: Wie heißen die vier Feinde des Kapitalismus? Richtig!
    Guido Westerwelle hat noch zwei Nebenfeinde ausfindig gemacht: Tag und Nacht.
    Zurück zum Wort: – Im Anfang war das Wort. Wobei, ganz so kann sich’s oh ni zugetragen ham. Als mir Sachsen nämlich ausgewandert sind, noch lange vor der Völkerwanderung, also Siebenhundert und Äppelstücke, aus der Lüneburger Heide, und die iss ja nu wirklich a Stückel weg.
    Wissen Se, wie die Niedersachsen da zu ihrem Heidekraut sachen? . . . Erika! Erika, so weit das Auge reicht. Wenn mir Sachsen »Erika« hören, da denken mir ni an Heidekraut, sondern an . . . Schreibmaschine. Natürlich erfunden in Sachsen.
    Übrigens wissen Se, warum der Papst wirklich im Deutschen Bundestag sprechen durfte? . . .
    Der wollte der FDP die letzte Ölung geben.
    Aber ich schweife ab. Mir Sachsen verließen also Niedersachsen und kamen irgendwann als so ne Art Boatpeople bis nach England, und dort entdeckten sächsische Pfundskerle denen ihre Währung. Und da die immer schon Gewicht hatte, nannte man sie och Pfund. Was in England die Währung ist, ist bei uns in Dresden die Milch: »Pfundsmolkerei«. Ja, aber daran sehen Se, wie unterschiedlich die Menschheit mit ehm und demselben umzugehen pflegt. Was in England Geld heißt, »Pfund«, dazu sacht der Sachse bloß »Käse«.
    Wobei 500 Pfund Käse sinn schon ä baar Pfund Euro wert!
    Überhaupt das Sächsische: Was wäre Englisch ohne uns? Nur ma ein Beispiel:
    »Hörst du off mit Dadschen, lass dei Badschen – un oh ni kadschen!«
    Also jetzt ma ehrlich: Wenn Sie’s ni wüssten? Es klingt doch wie Englisch!
    Mein Lieblingswort zurzeit ist ja: »Knastschau = Kitchengugging«.
    Du wirst bleede! Aber bevor mir hier ganz durchdrehen, nähern wir uns mit Riesenschritten dem Wort des Jahres in Sachsen. Es ist das schönste und wurde bei subtropischen Temperaturen entdeckt in London, als zwei Sachsen bei feuchtwarmer Luft ausstießen: (und neblich war’s oh) »Oh, gugge ma, die Demse!«
    Und weil’s so schön ist, dies schönste Wort der Sachsen 2011, hier noch ne ganz andre Variante:
    Als ich unlängst wieder in meinem Heimatkabarett, der »Herkuleskeule«, spielen durfte, herrschten subtropische Temperaturen. Und so begrüßte ich meine Zuschauer mit dem Satz: »Mensch, hier ist eine Demse!« Alle lachten, alle
freuten sich; nur zwei, in der ersten Reihe rechter Hand sitzend, machten ein Gesicht zum Topflappen gehäkelt.
    Und mit ganz ernster Miene fragt der eine den anderen: »Was hat der gerade gesagt?« Worauf ihm der Mitbesucher antwortete: »Lass mal, er meint die Elbe.«
    Und so ist es bis heute. Diese kleine Episode drückt doch genau aus, was ich seit nunmehr 23 Jahren feststelle: Sie wissen nichts, und das erklären sie uns.

Das sächsische Wort des Jahres
Teil II
    Es gilt heut’ ein Wort zu ehren, über das Gedanken sich zu machen lohnt.
    Überhaupt ist die Sprache, und aus Wörtern besteht ja diese, das Hauptinstrument unseres Daseins, zumindest beim Sachsen.
    Wo andere nur sprechen, da teilt sich dor Sachse mit. Er singt förmlich sein Anliegen in die Welt hinaus. Nimmt man einem Volk die Sprache, bricht man ihm gleichsam das Rückgrat.
    Ohne sein Sächsisch ist dor Sachse nur äh halber Mensch. »Hier red ich sächsisch – hier muss es sein.«
    Dialekt-Sprache als letztes Rückzugsgebiet in dieser globalisierten Welt. Dialekt ist Heimat, und deshalb muss es Ziel sein, so zu sprechen, bis uns gar keener mehr versteht.
    Ein kleines Beispiel sei mir an dieser Stelle gestattet:
    Letztes Jahr, in der Vorweihnachtszeit, geh ich auf den

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