Meine Oma, Marx und Jesus Christus: Aus dem Leben eines Ostalgikers (German Edition)
Totensonntag ist doch auf dem Friedhof die Hölle los. Die Leute erlatschen sich doch fast!
Und was muss ich erleben auf dem Markusfriedhof? Es war ein herrlicher, heller Tag, noch gar nicht frostig, eher lind und erdig schnuppernd vom verwesenden, sich zersetzenden Laub der Silberpappeln. Was also sehe ich um unser Familiengrab? Wiese, nur noch Wiese. Wo vor ein paar Jahren noch Gräber neben dem unsrigen waren – Leere.
Ganz allein liegen nun meine Eltern und Großeltern. Jetzt herrscht wirklich Ruhe. Ruhe, von der sie immer alle träumten. »Wir wollen unsre Ruhe haben.« Da ist sie nun. Eine Ruhe, die aber gespenstig wirkt. Denn wo sind alle hin? »Aufgegeben«, nennt es die Friedhofsverwaltung. Ja, das trifft’s. Selbst die Toten geben wir auf. Wenn sich schon keiner um die Lebenden kümmert, weil sie ja einen lästigen Kostenfaktor darstellen, warum dann um die Toten? »Aufgegeben.« – Trocken, nüchtern, auf den Punkt gebracht. Gestorben? Wird bestenfalls noch in der Heimat, aber verfeuern lässt man sich anderswo.
Wo es billiger ist, weil man ja auch niemandem zur Last fallen will.
Man hat eine Sterbeversicherung, nicht Lebensversicherung. Wie das geht?
Meine Versicherung sagt mir Bescheid, wenn es soweit ist.
Drei Jahre muss ich noch leben, dann habe ich das Geld rein. »Sie leben für den Tod?«
»Ich lebe nicht, ich spare.« Das Wort »Gottesacker« fällt mir ein – fällt mir auf.
»Gottesacker«, bestellt für die Ewigkeit. Bereit zur Aufnahme. Schön, ja, aber eben nicht auf dem Markusfriedhof! Ist Sterben wirklich so teuer geworden? Wird es bald noch teurer? Was kostet der Tod, wenn schon das Leben nichts mehr wert ist, falsch: immer teurer wird. Viele können sich en würdiges Grab gar nicht mehr leisten. Und durch die Vereinsamung des Lebens, gestützt nur noch auf sich, spart man für den Tod. Eigentlich bitter.
Ein einsamer Friedhof, das ist es, was mir auffiel.
Meine Eltern und Großeltern liegen da ganz allein, einsam. Das macht mich tieftraurig.
»Lommel, komm, beeil dich. Wir müssen auf den Friedhof.« Da war es wieder, das Lachen über den Tod hinaus. Und über den Tod hinaus bleibt die Hoffnung auf Besinnung, die Zuversicht, dass nichts umsonst ist im Diesseits.
Der Umgang mit den Toten verrät viel über den Umgang mit dem Leben in unserem christlichen Abend-Heimatland. Es könnte sein, dass wir den Kampf der Kulturen verlieren.
Meine Oma aus Übsche, hochdeutsch Übigau, hab’ ich als Kind oft gefragt:
»Omi, Schneeweißomi« – ist das nicht ein wunderschöner Name? – Also: »Omi«, hab’ ich gefragt, »an was glaubst du eigentlich?« Meine Oma hatte fünf Kinder, vier Söhne und eine Tochter, was meine Mutti war, heil durch den Krieg gebracht,
die barbarische Bombardierung Dresdens überlebt, und diese kleine große Frau mit ihrem dünnen geflochtenen Blondzopf lachte auf meine Frage nur und antwortete, während sie die Kurbel der Kaffeemühle drehte: »Das Einzige, an was ich noch gloobe, ist, dass äh Pfund Rindfleisch ne gute Brühe gibt.« Nein, das ist keine Gotteslästerung. Wer die Hölle vom 13. Februar1945 in Dresden überlebte, dem wird Humor zum Lebensmittel. Anders geht es gar nicht.
Übrigens, das neue Krematorium in Berlin, supermodern und zukunftsweisend, wie der Prospekt verrät, ist von denselben Architekten gebaut worden, die auch das Kanzleramt entwarfen. Dieselben Farben, derselbe Schreibtisch. Wenn ein Krematorium aussieht wie ein Kanzleramt – nein wirklich: zukunftsweisend.
Und Gott, der Herr, lacht. Herrgott, natürlich lacht der Herr, herrlich, nicht dämlich, lacht er, und wissen Sie, worüber? Das Volk, der Volksmund, gab dem neuen Kanzleramt einen Namen: »Waschmaschine«.
Und gestern verkündete unser Verteidigungsminister: Der Reichstag steht … noch!
Die Kanzlerin außer Gewehr, äh, Gefahr. Und das deutsche Volk kann aufatmen, denn den zwei feigen Selbstmordattentätern des internationalen terroristischen Islamismus ist es nicht gelungen, unseren deutschen Reichstag zu sprengen! . . . Verzeihung, mich erinnert dies ein bisschen an den Reichstagsbrand. Getreu dem Motto: Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken.
Unlängst erschien doch ein Buch mit dem Titel »Das Amt«. Ich dachte erst, es wäre die Biografie von Jochen Busse. Aber nein, ich musste erfahren, dass willfährige Diplomaten im Dritten Reich eng mit Hitler zusammengearbeitet haben. Hätten Sie das für möglich gehalten? So etwas erfahren Menschen in
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