Meine Philosophie lebendiger Gaerten
also auf Foerster bezieht und einen von ihm inspirierten Senkgarten anlegt, der legt zugleich einen deutschen Garten an, allein was die Herkunft, die Tradition betrifft. Dann spielten bei unserem Chelsea-Garten Stauden eine tragende Rolle, die ebenfalls aus der Foerster-Gärtnerei stammten und in England sehr gefragt sind. Käme noch die eine Hälfte des Gartengestalterteams dazu, also eine gebürtige Deutsche neben einer Belgierin - und damit hat es sich dann auch schon mit dem deutschen Anteil an diesem Garten.
Aber die Tradition des Senkgartens, im Foersterschen Verständnis mit dem Konzept des Staudengartens weitergeführt,
stand tatsächlich im Blickfeld unseres Entwurfs. In diesem Zusammenspiel war es dann doch ein deutscher Garten. Erfunden haben diese Form des Senkgartens um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert allerdings die Engländer, sagt man. Er sollte Duftpflanzen einen wirkungsvollen Rahmen geben. Aber aus einer Zeit lange davor, aus dem sechzehnten, siebzehnten Jahrhundert der Tudorzeit, kennen wir Packwood House in Solihull in der Grafschaft Warwickshire, einen sehr berühmten schönen Garten, heute vom National Trust perfekt renoviert und restauriert. Auf einem riesigen Rasenplateau entdeckt der Besucher schon von Weitem eine Hecke, die sich ihm in ihrer Bedeutung zunächst nicht erschließt, zu der er sich jedoch hingezogen fühlt. Erst aus unmittelbarer Nähe bietet sich ein Blick in einen abgesenkten Garten, der voller Blumen und in der Mitte mit einem Wasserbecken ausgestattet ist. Wenn man hier eintritt und sich auf einen Stein setzt, fühlt man sich plötzlich wie in einer kleinen Blumenkapsel mit ganz anderen Empfindungen, als man sie draußen hatte. Von außerhalb des Senkgartens ist man Beobachter, von drinnen ist man Akteur, Teil der Blumen, der Farben, des Duftes sowie der Geräusche von Wasser. Wer draußen ist, hört nichts von drinnen, und wer drinnen ist, ist in einer anderen Welt und - nicht nur akustisch - abgeschirmt von den Hunderten von Menschen, die durch den Park laufen, da er ja öffentlich ist. Dieses bezaubernde Kleinod ist wie eine eingesenkte Insel - und vermutlich fast zweihundertfünfzig Jahre alt.
In Chelsea war es mir zwar wichtig, mit unserer Senkgarten-Variante solche Ideen und Befindlichkeiten für den Betrachter anzudeuten, aber es war in dieser Vollkommenheit natürlich nicht zu kommunizieren. Dennoch hatte ich mich mit Prinz Charles nicht nur über die Löcher seines Stocks in meinem Pflasterweg ausgetauscht. Wir sprachen vor allem über Foersters Idee des Senkgartens, die Prinz Charles kommentierte: »It’s a completely different quality«, also eine ganz andere Qualität, in dem Garten zu stehen, in dem man nicht bloßer Betrachter ist und von drinnen nach draußen schaut, vielmehr ist man im Garten, bleibt im Garten, ist selbst Garten - ein Teil davon. In einem Senkgarten finden die Pflanzen günstigere klimatische Bedingungen vor. Sie sind vom Wind besser geschützt und nutzen die größere und länger anhaltende Wärme der von der Sonneneinstrahlung aufgeheizten Mauern. Es lassen sich mitunter sogar andere Pflanzen setzen als oben auf der offenen Steppe, wo sie den Elementen weit mehr ausgeliefert sind. Auch die Feuchtigkeit hält sich im Senkgarten länger als im freiliegenden Boden, der durch Wind und Sonne schneller austrocknet. Das ist gerade für meine neue Umgebung, Berliner und Brandenburger Verhältnisse, ideal, wo es immer besonders trocken ist und immer trockener zu werden droht. Drunten im Senkgarten gibt es sogar weniger grimmigen Frost. Schließlich entfalten sich und wirken die Pflanzen hier ganz anders als in einer Rabatte: Die Stauden, Gräser, Kübelpflanzen und Gehölze haben im Senkgarten die wirkungsvollsten aller Bühnen. Das war auch schon ein Credo von Karl Foerster.
Die Botschaft: Mit unserem Chelsea-Garten wollte ich mir selbst und uns beweisen, dass deutsche Gartenkultur der Welt etwas zu sagen hat. Wenn man auf fremdem Terrain, weit außerhalb der eigenen vier Wände, entfernt vom eigenen Grund und Boden seine Herkunft offenlegt und seine Werte zur Geltung bringen will, erscheinen sie einem selbst in einem ganz neuen Licht. Man lernt, anders damit umzugehen, man relativiert und kann Schlussfolgerungen aus den Reaktionen derer ziehen, die sich damit erstmals konfrontiert sehen. Möglicherweise findet man selbst einen neuen Zugang oder neue Facetten.
Alles hatte genau in diesem Spannungsgefüge begonnen,
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