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Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Pape
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seine Größe und die Proportionen und überhaupt erst eine Beziehung zu ihm. Kaum jemand kann spontan sein Haus in Relation zu seinem Garten wirklichkeitsgetreu positionieren. Es steht immer ganz anders, als man es fühlt. Viele ignorieren oder vernachlässigen sogar Bereiche in unmittelbarer Nähe des Hauses, oft in der Annahme, daraus
könne ohnehin nichts werden, bestenfalls kommen die Mülltonnen dahin oder werden dort durchgerollt - Areale mit Potential werden zu Durchgangskorridoren degradiert. Das aktive Vermessen führt zu einem Gefühl dafür, wie groß und wertvoll das alles ist, was einem hier zur Verfügung steht, was man besitzt - und welchen Verlust man hinnimmt, wenn man sich nicht darum kümmert. Wer vermessend durch seinen Garten geht, bekommt also nicht nur ein anderes, ein an der Realität angelehntes Raumgefühl, er findet auch ein anderes Wertgefühl. Wer sich hingegen an die Unvollkommenheit seines Gartens gewöhnt hat, sein Brachliegen tagtäglich in Kauf nimmt und achtlos daran vorbeigeht, nimmt den spezifischen Wert seiner Umgebung nicht mehr wahr.

Das Ganze und die Details
    Ein Teil der Vermessung kommt einer Bildbeschreibung gleich. Die Hilfsmittel reichen vom Zollstock bis zum Fotoapparat. Gartenfotos, die den Charakter und die Eigenarten des Gartens festhalten wollen, sollten mit der aufrecht gehaltenen Kamera und stehend gemacht werden, damit die Aufnahmen auch Aussagen über die Höhe der Bäume, der eigenen sowie der des Nachbarn, Panoramen, Hintergründe, Perspektiven zulassen. Nicht jeder hat ein Weitwinkelobjektiv, doch auch amateurhaft vom selben Punkt aus in Sequenzen fotografierte Bilder, die später aneinandergereiht werden, ergeben einen umfassenden Eindruck.

    Viele Menschen fotografieren ihren Rasen, indem sie die Kamera nach unten halten, doch dieser Blick ist nicht der, der interessiert. Eine Kamera ist in der Lage, eine Verzerrung zu zeigen, die wir mit dem bloßen Auge gar nicht erkennen. Wir nehmen nur einen Ausschnitt von ungefähr sechzig Grad wahr - auf einem selbst zusammengefügten Panoramabild lassen sich hundertachtzig Grad darstellen. So bemerken wir dann auch Einkapselungen, Freiräume und weitere Geländecharakteristika.
    Auf seinen eigenen Aufnahmen erkennt der Gartenbesitzer, was er lange vernachlässigt hat: die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Ganzen, den Bezug seines Gartens zu seinem Nachbar, ganz zu schweigen vom Begreifen dieser Gesamtsituation. So schafft sich allmählich die Erkenntnis Raum, wo der Eigner »sitzt«, wo er in seinem Entwicklungsprozess verharrt, wo er sich bisher eingekapselt hat. Riesige Bäume können beispielsweise etwas sein, dessen er sich nie so recht bewusst war, »irgendwie« waren sie immer da. Aber sie sind ja auch gewachsen in all den Jahren, die Bäume des Nachbarn, die den eigenen Garten verschatten, oder die eigenen Bäume, die für den Nachbarn störend sind. Höhenunterschiede im Garten, ich meine damit nicht Gärten an Hängen, werden oft als minimal wahrgenommen. Jeder empfindet diese Differenzen, den leicht abschüssigen Rasen, den etwas erhöht stehenden Baum durchaus, ihnen wird jedoch keine besondere Bedeutung beigemessen. Viele glauben, sie lebten auf ebenem Terrain, und wenn ich dann sage, dass ein Höhenunterschied von bis zu einem Meter bestehe, dann
ernte ich erstaunte Ablehnung - bis nachgemessen wird und nur noch akzeptierendes Erstaunen zurückbleibt.
    Wenn es kompliziert wird, und das wird es bei unebenem, abschüssigem oder ansteigendem Gartengelände nicht selten, muss auch ein professioneller Vermesser mit Nivelliergerät herangezogen werden. Denn für eine neue Gartenplanung haben die Maße zu stimmen - und wenn Gebäude, feststehende Einheiten wie eine zu restaurierende Remise, vielleicht mit Weinkeller, oder eine Laube einzubeziehen sind oder gar erst in dem Garten gebaut werden sollen, dann muss sogar auf den Zentimeter genau gemessen werden.
    Kommen wir am Ende der Vermessung unseres Mikrokosmos noch einmal auf Alexander von Humboldt zurück. Seinen Ansichten der Natur stellte er voraus, worum es ihm ging: »Überblick der Natur im Großen, Beweis von dem Zusammenwirken der Kräfte, Erneuerung des Genusses, welchen die unmittelbare Ansicht … dem fühlenden Menschen gewährt, sind die Zwecke, nach denen ich strebe.« 7 Lässt es sich treffender sagen, wonach wir mit unserem Maßband, unseren Fotos und unseren Aufzeichnungen streben, wenn wir den Garten vermessen? Alles erfassen und

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