Meine Philosophie lebendiger Gaerten
Charme der Bodenbedeckung wartet, darin drei verlorene Töpfchen, die aussehen wie bestellt und nicht abgeholt, eine frische, unbewachsene Mauer, die auch nicht gerade sexy wirkt, Buxus, der gerade in die Erde gekommen ist und noch ziemlich fremd wirkt, eine Hecke, wie abgestellt, aber noch nicht angekommen und erst recht nicht angewachsen.
Wir Gärtner und Gartendesigner sind das einzige Gewerk, das am Tag der Fertigstellung sein Werk in einem Zustand abliefert, in dem es, man möchte fast sagen, am scheußlichsten aussieht. Ab dann arbeitet die Zeit. Wie oft sehe ich die Enttäuschung in den Augen der Kunden, wie sie dasitzen, schöne Büsche, prachtvolle Staudenbeete und ein Blütenmeer erwartet haben, und dann auf ihren Garten blicken, der gerade erst einmal - vor allem bei Herbstpflanzungen - in den Winterschlaf geht. Ganz anders nach getaner Arbeit des Architekten oder Innenarchitekten: Wenn diese ihren fertiggestellten Bau verlassen, ihre Innenausstattung zu Ende geführt haben, dann ist das Haus in einem Zustand, in dem man sofort ein paar Fotos machen sollte, weil es danach oft nur noch abwärts geht. Der Innenarchitekt hat noch schnell ein paar Kissen aufs Sofa geworfen, und der Kunde findet’s toll und ist begeistert. Danach kommt die Unordnung, folgen die ersten Flecken, die falsch drapierten Kissen, Katzenhaare und so weiter.
Die Enttäuschung über den Garten im Moment, in dem der Gärtner seine Arbeit getan hat, kann tatsächlich kolossal sein, wenn man nicht wie ich das neu angelegte Beet bereits vor dem inneren Auge in voller Blüte sieht. Und das sehe ich: die Farben und den Zustand des Gartens in jeder einzelnen Jahreszeit, auch wie er in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren aussehen mag. Das habe ich gelernt, und diese Fähigkeit ermöglicht es mir, auch die kleine neu gepflanzte Eiche da hinten so zu sehen, wie sie in ein paar Jahren aussieht. Daran kann ich mich schon heute erfreuen und darüber lächeln und diese Freude meinem Kunden voller Optimismus vermitteln. Den Beleg wird er erst später, dann aber mit aller Kraft und in aller Prächtigkeit vorfinden. Es braucht eben Zeit, und wenn es zwischendrin lieblosere Jahreszeiten gibt, Schlechtwetterperioden, dann ist da trotz aller Liebe wenig zu machen. Letztlich bin ich als Gartengestalterin nur Vermittlerin, nicht mehr, aber auch nicht weniger als der Kommunikator zwischen dem genius loci , dem Stückchen Garten mit all seinem Makel und seinen Glanzpunkten, und den Träumen und Wünschen des Auftraggebers. Aber ich bin kein Magier und kann keine Sommerblume aus dem Schnee herauswachsen lassen.
Die vier (oder sieben) Jahreszeiten
D ie aufregendste Zeitdimension des Gartens drückt sich in den Jahreszeiten aus. Sie bedeuten uns ein zyklisches Zeitverständnis, ein Naturzeitverständnis, das wir in uns aufgenommen haben, das von Kindheit an naturgegeben zu uns gehört, in dem und mit dem wir fühlen, denken, das uns prägt, das zum Leben gehört wie der Wechsel von Tag und Nacht, von Ebbe und Flut. Und doch ist dieses Zeitempfinden nicht jedem Menschen auf unserem Erdball gleichermaßen gegeben, denn die Jahreszeiten zeigen sich nicht an jedem Ort auf die gleiche Weise.
Wie Tag und Nacht, so haben die Jahreszeiten auch etwas mit Helligkeit und Dunkelheit zu tun, sind verknüpft mit Bedeutungen, Empfindungen und Gefühlen wie Fruchtbarkeit, Ernte, Freude, Melancholie und Trauer, sie korrespondieren mit Licht, Wärme und Kälte, mit Farben und Farbkombinationen, mit unterschiedlichsten Pflanzen sowieso.
Unsere herkömmliche Differenzierung in vier Jahreszeiten ist keine Selbstverständlichkeit, gottgegeben ist sie schon gar nicht. Mehr als eine konventionelle Festlegung ist das nicht, auf die sich die Menschen aus Tradition und Gewohnheit geeinigt haben. Karl Foerster, der Liebhaber des Gartens, der Beobachter der sich über das Jahr hin verändernden Pflanzenwelt, bevorzugte es, von sieben Jahreszeiten auszugehen: Für ihn folgt dem Winter, der von Anfang Dezember bis Ende Februar reicht oder von Advent bis Fastnacht, der Vorfrühling - von Ende Februar bis Ende April, von Fastnacht bis späte Ostern oder Walpurgis. Dann kommt bis Anfang Juni oder späte Himmelfahrt der eigentliche Frühling, diesem
schließt sich der Frühsommer an bis Ende Juni oder Siebenschläfer, gefolgt vom Hochsommer bis Ende August oder Erntekirmes. Sodann ist bis Anfang November oder Allerseelen Herbst, dem sich vor dem Winter noch der Spätherbst anschließt, er
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