Meine Philosophie lebendiger Gaerten
dauert bis Anfang Dezember oder ersten Advent.
Vielleicht können wir in Zeiten des Klimawandels noch mehr oder andere Jahreszeiten entdecken und erleben, wer weiß das schon? Dieser Zyklus regelmäßig wiederkehrender sieben Jahreszeiten macht aber zugleich Foersters (und auch unsere!) auf den heimischen Kulturkreis bezogene Sichtweisen und Empfindungen der Jahreszeiten deutlich. Andere Kulturen, die weder Himmelfahrt noch Walpurgis kennen, mögen auch andere Einteilungen haben, vielleicht mehr, vielleicht weniger Jahreszeiten. Schon wenige hundert Kilometer östlich oder westlich, südlich oder nördlich könnten zumindest die Daten der Trennlinien anders verlaufen. In jedem Fall werden die Menschen anders fühlen, und dies umso mehr in einer asiatischen Wüstenregion oder im südamerikanischen Regenwald. Wie würden dort erst Vivaldis »Vier Jahreszeiten« gehört werden, mit Jagdmotiv und Hörnerklang, ländlichem Tanz und Schäferdichtung, Kuckuck im Wald oder Eisläufer auf einem gefrorenen See? Wir hören das, wir empfinden diese Bedeutungen mit, weil unsere Erfahrungen und unsere inneren Bilder dabei mitschwingen. Also haben Jahreszeiten durchaus auch eine kulturelle Dimension.
Das Leben mit dem Garten, zu sehen, wie ein Samenkorn aufgeht und eine Pflanze wächst, eine Blume, gar ein Baum
entsteht und wie schnell das alles geht - dies fasziniert mich, weil es mir unvergleichlich anschaulich die Vergänglichkeit deutlich macht. Gar nicht so sehr meine eigene, die ich sehe, wenn ich morgens vor dem Spiegel stehe und alles schon ein bisschen anders aussieht als vor fünf Jahren. Es ist vielmehr der Ablauf der Natur, das Auf und Ab, die wiederkehrenden und verklingenden Prozesse, die uns durch den Wechsel der Jahreszeiten immer wieder vor Augen geführt werden - und wie alles spiegelbildlich im Garten wahrnehmbar ist. Auch, wenn ich über Dinge nachdenke, die ich nicht gepflanzt habe. Spargel zum Beispiel, weil ich wusste, dass es vier Jahre dauert, bis man etwas ernten kann. Also dachte ich, das mache ich nicht, das dauert mir zu lange - das ist nun neun Jahr her, und ich habe immer noch keinen eigenen Spargel geerntet, weil ich noch immer keinen im Garten habe. Und das bei mir als Gärtnerin!
Der Zeitrhythmus, den unsere Gärten haben, das Saisonale, wie es das in Europa gibt, ist aus meiner Sicht ein großer Luxus, den andere Weltregionen nicht teilen. In Südamerika etwa, wo ich bereits Gärten angelegt habe, gibt es Gegenden nahe dem Äquator, da sind die Tage immer gleich lang, da blühen die gleichen Pflanzen Monat für Monat, das ganze Jahr über. Wir haben das große Glück, Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter zu haben - bleiben wir einfach einmal bei diesen vier Zeiten des Jahres.
Der Frühling
Wer etwas auf sich hält, hat in seinem Garten bereits im Frühjahr ein Meer aus Blüten. Zwiebelblumen läuten nicht nur den Frühling ein, ohne sie wäre der Garten in unseren kalten Gefilden bis Ostern eine echte Tragödie. Nach einem langen Winter sind sie Balsam für die farbvertrocknete Seele. Nun tun leuchtende Töne gut, und Blumenzwiebeln bringen diese in den Garten.
Die Boten des Frühlings werden im Herbst gesetzt. Wer dies verpasst hat, muss sich bis zum nächsten Herbst gedulden, denn gegen die Kraft der heranwachsenden Stauden und gegen ihre innere Uhr können sich die meisten im März oder April gesetzten Zwiebeln nicht mehr durchsetzen.
Der frühe Frühling beginnt, wenn der Schnee schmilzt. Ein ganz besonders schönes Bild bieten in den Alpen die Schneewellen, an deren Rand weiße Krokusse aus dem kaum getauten Boden herausdrängen. Manchmal kann man aus der Ferne gar nicht sehen, ob das noch Schnee ist oder ob es schon Krokusse sind. Diese ersten Boten sind auch für uns Gärtner etwas, das unsere Neugier anstachelt. Da pieksen wir, wenn der Schnee sich zurückzieht, durchaus ungeduldig mit den Fingern in der braunen Erde herum, wollen gucken, ob schon etwas kommt, ob sich da etwas bewegt. Jedes Jahr sind wir doch immer wieder im gleichen Unglauben, dass nach so viel Kälte und Lichtmangel überhaupt noch etwas kommt. Ja, das geht mir auch so. Zu dieser Zeit ist der Garten ganz schwarz, wie eine europäische Wüste, die Beete oft kahl, die Rosen sehen mitgenommen
aus, alles hängt so ein bisschen, die Sträucher wirken unmotiviert, die Knospen schwellen noch nicht, eigentlich passiert kaum etwas - und doch drängt aus der Erde ein Schneeglöckchen heraus, drei hier oder in einem
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