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Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Meine Reise in die Welt der Gewuerze

Titel: Meine Reise in die Welt der Gewuerze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfons Schuhbeck
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Hippokrates und Galen am zuträglichsten sind. Und die vornehmste Aufgabe des höfischen Gewürzmeisters war es, dem Kammerherrn des Herzogs nach dem Mahl ein kleines Tablett mit den épices de chambre, den »Zimmergewürzen«, zu überreichen, einer Mischung aus Gewürzen, Konfekt und Dragees zur Förderung der Verdauung, die in den Privatgemächern eingenommen wurden. Die Gewürzmeister waren hoch angesehene Persönlichkeiten am Hof. Doch die größte Wertschätzung genossen die Köche. Sie bekamen das höchste Gehalt aller Bediensteten und wurden oft im Testament ihrer Herren bedacht. Die besten ihres Fachs trugen den Ehrentitel »Meister«, und einige wurden zu Stars: Guillaume Tirel zum Beispiel, genannt »Taillevent«, der »Schneidewind«, schrieb mit »Le Viandier« das berühmteste Kochbuch des 14. Jahrhunderts, machte Karriere als Oberküchenmeister verschiedener französischer Könige und starb 1395 hochgeehrt mit vierundachtzig Jahren.
    »Tischzuchten« mangelhaft bis ungenügend
    Auf einem anderen Feld haperte es bei den feinen Leuten im Mittelalter allerdings gewaltig: Die Tischsitten waren stark verbesserungswürdig. Immer wieder wurden die miserablen „Tischzuchten“ von Adel und Klerus angeprangert, und besonders plastisch in Sebastian Brants moralischer Satire »Das Narrenschiff«: »Eh er die Speis herunterschluckt / wird in den Becher schnell gelugt / versuppt wird' s Essen mit dem Wein / damit schwenkt er die Backen sein / dass furchtbar sein Gesicht aufschwillt / das Zeug ihm fast zur Nas´ rausquillt / der Nachbar sorgt, dass jener nicht / prust´ s ihn in Becher und Gesicht.«
    Für das einfache Volk waren die Gewürzorgien von Adel und Klerus unendlich weit entfernt. Es musste sich meist mit Zwiebeln, Kümmel und Senf als Würzmittel zufriedengeben und konnte von Safran, Muskatnuss oder Nelken nur träumen. In einem Lied des Minnesängers Steinmar aus dem 13. Jahrhundert fleht ein Gast seinen Wirt an, das Unmögliche wahr werden zu lassen: »Was du uns gibst, das würze uns gut, mehr als das Maß es will, dass es uns heiß werde, dass es dem Trank entgegendampft wie Rauch von einem Brand und dass dem Mann der Schweiß in Strömen fließt, als wäre er im Badhaus. Mach, dass uns der Mund wie eine Apotheke voller Spezereien schmecke.«

    Das plötzliche Ende des Mittelalters
    Dass der Wunschtraum des gewürzgierigen Gasts eines Tages Wirklichkeit werden würde, konnte damals niemand auch nur ahnen. Die Welt war zementiert und endete am Horizont. Die Gewürze waren Luxuswaren, die auf geheimnisvollen Wegen aus dem Morgenland kamen. Und die Europäer waren nichts weiter als dankbare Empfänger der Kostbarkeiten aus Indien, China oder Indonesien. Doch dann endete das Mittelalter mit einem Paukenschlag, und Europa katapultierte sich selbst in die Neuzeit: 1453 eroberten die Osmanen Konstantinopel, schoben sich wie eine gewaltige Barriere vor Indien und den Fernen Osten und schnitten so die Europäer von den Quellen der Gewürze ab. Das Abendland musste sich neue Wege suchen – und fand sie. Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und all die anderen wagemutigen Seefahrer stellten die Welt auf den Kopf und machten erst wirklich eine runde Sache aus ihr. Von ihren unglaublichen Abenteuern und den Reichtümern an Pfeffer und Muskatnuss, Chili und Vanille, die sie mit nach Hause brachten und die die Grundlage für die Demokratisierung der Gewürze zum Gut für alle Menschen waren, wird der zweite Band von Alfons Schuhbecks Reise in die Welt der Gewürze erzählen – davon, wie die Europäer wieder den Gewürzhandel an sich rissen und dadurch für die nächsten 400 Jahre zur bestimmenden Weltmacht werden sollten.

    Die Erde war danach eine andere. Das Mittelmeer, das 3000 Jahre lang das Gravitationszentrum des Abendlands gewesen war, verlor sein Monopol und musste es mit dem Atlantischen und dem Indischen Ozean teilen. Die Blicke der Europäer, die sich so lange auf Rom, Alexandria und Konstantinopel konzentriert hatten, richteten sich jetzt auf die neuen Welten jenseits des Meers. Und Jerusalem, die Stadt der Städte für jeden Christen, war in diesem neuen Koordinatensystem nur noch eine Randerscheinung, die keine Begehrlichkeiten mehr weckte. Eines aber ist Jerusalem bis heute geblieben: die Stadt, die wie keine zweite auf der Welt dazu geschaffen ist, die Religionen miteinander zu versöhnen.

D ie Große Pest von 1348 wütete wie ein apokalyptischer Sturm. Ihre Schreckensherrschaft übertraf alles,

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