Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Reimers Geld schuldet, dann hat er das Recht, euer Eigentum als Pfand einzukassieren – und zwar so lange, bis ihr bezahlt habt.«
Die Polyakows schwiegen mich an.
»Okay, wir müssen wieder rein. Gibt’s sonst noch etwas, das ich wissen sollte?«
Vehementes Köpfeschütteln.
Entschlossenheit und Selbstbewusstsein vortäuschend, stürmte ich in den Sitzungsraum zurück. Die Gegenseite wirkte vergnügt, der Richter runzelte die Stirn.
»Also, Frau Matthes, ich höre …«
»Herr Vorsitzender, natürlich schulden meine Mandanten Herrn Reimers kein Geld. Aufgrund der unzähligen Mängel in der Wohnung, die auch nach zahlreichen Aufforderungen nicht beseitigt wurden, sahen sie sich gezwungen, die Miete zu mindern. Auch das ist gängiges Recht.«
Dann zückte ich grimmig meinen Trumpf. »Selbst wenn Herr Reimers fälschlicherweise annahm, dass er noch Geld von meinen Mandanten zu bekommen hat, stehen diese angeblichen Schulden in Höhe von …«, ich blätterte gelangweilt in Schuberts Papieren, »… von nur achtzehntausend Euro doch in keinem Verhältnis zum Wert des entwendeten Cellos.«
Kunstvoll zückte ich die Expertise und knallte sie dem Richter auf den Tisch.
»Wenn Sie bitte einen Blick auf dieses Gutachten werfen würden.«
Der Richter warf, sein Stirnrunzeln vertiefte sich, er reichte das Gutachten an Schubert und Reimers weiter. Beide lasen und lachten.
»Diesen russischen Wisch kann ich nicht beurteilen, der ist auf Kyrillisch«, meckerte Schubert, »aber das Übersetzungsbüro ist mir hinlänglich bekannt. Der Inhaber, übrigens ein Ukrainer, wurde erst kürzlich rechtskräftig wegen Urkundenfälschung verurteilt. Da ist die Kollegin Matthes wohl einem Schwindler aufgesessen.«
Mir wurde schwindlig. Doch der Kollege Schubert war noch nicht fertig.
»Auch wir haben das Cello von einem Geigenbauer schätzen lassen. Es handelt sich dabei um ein solides Mittelklasse-Instrument, sein Zustand lässt allerdings zu wünschen übrig. Mit viel gutem Willen bekommt man noch dreitausend Euro dafür.«
Mit zitternden Fingern richtete ich meinen Kugelschreiber akkurat an der Tischkante aus.
»Frau Matthes«, der Richter zuckte hilflos die Schultern, »was sagen Sie dazu?«
»Ein Missverständnis«, krächzte ich, »es kann sich hier nur um ein Missverständnis handeln. Wenn die Gegenseite nichts einzuwenden hat, würde ich die Verhandlung gern vertagen und zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen, damit ich in aller Ruhe und Sorgfalt die nun neu vorliegenden Unterlagen überprüfen und gegebenenfalls …« Ich brach ab.
Der Vorsitzende schaute mich mitleidig an, Schubert und Reimers flüsterten miteinander.
»Lasset gut sein, Mädel, lasset gut sein!«, krähte Reimers jovial. »Ich bin doch froh, dass ich die Verbrecher los bin. Aber dat Cello behaltʼ ich!«
»Sie wollen Ihrerseits keine Klage wegen der Mietschulden erheben?«, fragte der Richter.
»Ach wat«, Reimers machte eine wegwerfende Handbewegung, »dat Pack kenn’ ich. Da is’ nix zu holen.«
Das Pack guckte derweil betont unbeteiligt, einer an die Decke, einer auf den Boden, einer aus dem Fenster.
Mein Gesicht brannte. Alle standen auf, der Richter nahm mich beiseite.
»Frau Matthes, ich kenne ja Ihren Vater.« Ach, wer nicht? »Auch wenn er im Ruhestand ist, genießt er immer noch einen hervorragenden Ruf. Ich kann und möchte mir deshalb gar nicht vorstellen, dass seine Tochter in irgendwelche Sachen verwickelt ist …« Er seufzte. »Jetzt lassen Sie um Himmels willen dieses Gutachten verschwinden. Und sorgen Sie dafür, dass es nie wieder auftaucht. Wollen nur hoffen, dass Ihr alter Herr nichts davon erfährt.«
Ich stolperte auf den Gang. Blamiert, dachte ich betäubt, bis auf die Knochen blamiert. Schlimmer geht’s nicht. Das wird sich rumsprechen! Ich bin eine wandelnde Witzfigur.
»Paula!« Rostislav knuffte mir kumpelhaft in die Seite. »Kain Prrobläm. Nächste Mal du machst bässärr, dann zack Cello.«
Darya stand neben ihm und nickte gütig.
Fassungslos schaute ich die beiden an. Und wo war eigentlich der dazugehörige Sohn abgeblieben? Verlegen lächelnd hielt er sich unauffällig im Hintergrund, als hoffte er, ich könne ihn übersehen. Als ich ihn mit meinen Blicken stellte, kam er zögernd auf uns zu.
»Paula!« Theatralisch hob er die Arme. »Das ist ja nicht so gut gelaufen.«
»Nicht gut gelaufen?«, meine Stimme machte einen hysterischen Kiekser.
»Ich schwöre dir: Unsere russische Expertise ist
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