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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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gelaunt, bretterte ich die Auffahrt zur Casa Matthes hoch. Meine Eltern saßen auf der Terrasse, Vater schaute kaum auf und blätterte weiter in seiner
Wild & Hund,
unter dem Tisch döste sein reinrassiger und völlig degenerierter Weimaraner Eika.
    Mutter sagte vorwurfsvoll: »Da bist du ja endlich. Der Kaffee ist längst durchgelaufen.«
    »Hallo, Mama, ich freu mich auch, euch zu sehen.«
    Schweigend aßen wir gedeckten Apfelkuchen mit Sahne, ich blickte über den weitläufigen Rasen, wie immer auf perfekte vier Zentimeter gestutzt, übersät mit Buchsbäumen, deren dichtbelaubte Äste zu kunstvollen Tierfiguren getrimmt waren. Kein Vergleich zu dem Wildwuchs bei den Polyakows.
    »Wie geht es denn Bernhard? Hast du etwas von ihm gehört?«, unterbrach Mutter meine Gedanken.
    »Nein, habe ich nicht.« Bloß nicht von der Begegnung im Blumengeschäft erzählen, dachte ich, das führt wieder zu endlosen Diskussionen über Mamas Lieblingsthema – meine Kinderlosigkeit.
    »Du solltest dich mal wieder bei ihm melden.«
    »Nein, sollte ich nicht.«
    »Bernhard war der perfekte Mann für dich, beruflich erfolgreich und aus einem guten Stall. Da kann man doch wohl mal einen kleinen Ausrutscher verzeihen …«
    »Kleiner Ausrutscher? Der Mistkerl hat mich nach Strich und Faden beschissen!«
    »Paula«, schaltete sich Vater ein, »keine Kraftausdrücke in meinem Haus.«
    Mutter jammerte weiter. »Ein Mann hat nun einmal seine Bedürfnisse. Wenn ich deinen Vater jedes Mal wegen so einer Kleinigkeit verlassen hätte …«
    »Luise!« Vater schnaubte empört in sein Jagdmagazin. »Das tut doch hier nichts zur Sache. Mein Kaffee ist übrigens alle. Hättest du die Güte mir nachzuschenken, oder muss ich das auch noch selbst machen?« Gebieterisch klopfte er dabei auf den hirnlosen Kopf seines Hundes.
    Ich unternahm einen abrupten Themenwechsel. »Seid mir bitte nicht böse, aber ich kann nicht bis zum Abendbrot bleiben. Ich habe morgen einen großen Prozess und muss mich noch mal in die Akten vertiefen.«
    »Prozess?« Während Vater eine Reportage über Rehböcke studierte, hob sich seine linke Augenbraue. Das Interesse des Richters a.D. war geweckt.
    In epischer Breite schilderte ich den Fall Polyakow und ließ keinen Zweifel daran, wer am nächsten Tag gewinnen würde. Erwartungsvoll legte ich meinen Kopf schief und sah Vater an – wie ein Dackel, der artig den Stock apportiert hat und von seinem Herrchen hinter den Ohren gekrault werden möchte.
    »So? Russen?«, kommentierte Vater und klappte sein Heft zu. »Na, in deiner Situation kannst du dir die Mandanten wahrlich nicht aussuchen. Russen!« Kein Ohrenkraulen, nur ein kurzer Tritt, und der Dackel zog wieder den Schwanz ein. Kurz darauf entschuldigte ich mich und fuhr nach Hause.
     
    Vorsichtshalber hatte ich mir für den Montagmorgen drei Wecker gestellt, am Vorabend schon Bluse und Anwaltsrobe gebügelt, die Schuhe geputzt, die Tasche mit der Akte gepackt. Die Verhandlung sollte um zehn Uhr fünfzehn beginnen, ich wollte jeglicher Verkettung unglücklicher Umstände oder Zufällen zuvorkommen.
    Trotzdem war ich aufgeregt. Nicht so sehr wegen des Prozesses, vielmehr weil ich Artjom wiedersehen sollte. In meinem Kopf hatte ich verschiedene Szenarien dieser Begegnung durchgespielt. Am besten gefiel mir die Variante, in der er mich stürmisch in seine Arme riss und wir zu Boden sanken …
    Jetzt reiß dich mal zusammen, Matthes!, ermahnte ich mich und machte mich auf den Weg.
    Mit dem Protagonisten meines gedanklichen Vorspiels und seinen Eltern hatte ich mich vor dem uns zugewiesenen Sitzungssaal verabredet. Um zehn vor zehn stand ich dort, vorerst allein auf weitem Flur.
    Dann näherte sich ein Duo durch einen der endlosen Gänge des Landgerichts. Der eine Teil desselben dürr und lang, mit ungelenken Schritten und fliegendem grauen Haar; der andere nebenher trippelnd, klein und von gedrungener Statur. Sie gingen an mir vorüber, der Lange stutzte und drehte sich zu mir um.
    »Matthes, Paula?«, fragte er in einem meckernden Falsett.
    Ich nickte.
    »Schubert, Wilhelm!«
    Er schüttelte meine Hand und fügte hinzu: »Ich kenne Ihren Vater, den kenne ich. Wir waren an der Universität, nun ja, in derselben Verbindung. Schöne Zeiten waren das. In Heidelberg, nun ja. Schöne Zeiten.«
    Ruckartig bewegte er noch immer meine Hand auf und ab. »Und nun die Tochter, die Tochter, nun ja. Tritt in die Fußstapfen des Herrn Papa. Soso. Da wünsche ich viel Glück für

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