Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
rausschmeißen? Das brachte ich nicht übers Herz.
Stattdessen wischte ich schnell über meine Schuhe, setzte mich, arbeitete am Computer und ignorierte ihn. Er jaulte ein wenig, sprang auf meinen Schoß, drehte sich zwölfmal im Kreis und schlief ein.
Nur vier Stunden später kam Darya wieder, beladen mit diversen Tüten. Ihre Einkaufstour schien sie besänftigt zu haben. Mit einem befriedigten Ausdruck im Gesicht ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. Vorsichtig sagte ich:
»Ich wollte dich nicht beleidigen. Es tut mir leid, verstehst du?«
»Charascho«, erwiderte sie, schnappte sich Sputnik und verschwand. Schade, ich hätte gern einen Blick in die Tüten geworfen.
Am Sonntag vor der Verhandlung fuhr ich nach Nienstedten. Wochenlang hatte ich mich vor einem Besuch in der Casa Matthes gedrückt.
»Kind, wann kommst du denn vorbei?«
»Es ist doch wohl nicht zu viel verlangt, deinen Eltern mal wieder einen Besuch abzustatten.«
»Es wäre schön, wenn die vielbeschäftigte Frau Anwältin einmal zurückrufen könnte …«
Das Genörgel meiner Mutter auf dem Anrufbeantworter konnte ich nicht länger ignorieren.
Auf dem Weg hielt ich an ihrem Lieblingsblumengeschäft. Ich war spät dran, wollte aber nicht mit leeren Händen auftauchen. Gehetzt rannte ich in den Laden, prallte mit voller Wucht gegen Bernhard und landete auf dem Boden. Kopfschüttelnd starrte mein Ex auf mich herab, runzelte seine hohe Denkerstirn und zischte unfreundlich:
»Paula, pass doch auf!«
Kein »Hallo«, kein »Wie geht es dir?«, kein »Hoppla, was machst du denn hier?« – und schon gar keine Hand, die mir aufhalf. Ja, das war der gute alte Bernhard.
Während ich mich aufrappelte, starrte ich zurück. Er sah aus wie immer, vielleicht hatte sein Bauchumfang unter dem recht straff sitzenden rosa-weiß karierten Hemd noch etwas zugenommen. Über den Schultern trug er einen hellblauen Kaschmirpullover, seine Jeans hatte Bügelfalten. Dazu College-Slipper mit Troddeln. Eine Sonnenbrille im akkurat kurz geschnittenen blonden Haar, leichte Seglerbräune. Sein standardisiertes Wochenend-Outfit. Lässiger Hund geht anders, dachte ich mit einem dreckigen Grinsen.
»Was ist denn so lustig?«, herrschte er mich an.
»Ach, Bernhard, ich freue mich nur, dich zu sehen«, entgegnete ich. »Sag mal, hast du extra ein bisschen zugenommen?«
Bevor er meine Gemeinheit erwidern konnte, ertönte hinter ihm ein langgezogenes, hohes: »Schaaahatz, hast du dir weh getan?«
Meine Nachfolgerin schälte sich aus der hintersten Ecke und schwankte wie ein Containerschiff auf hoher See. Im Gegensatz zu Bernhard war sie nicht wiederzuerkennen. Ich hatte sie als zarte, falsche Blondine in Erinnerung. Nicht besonders helle, aber von einer charmanten Naivität, äußerst attraktiv, sehr schlank.
Davon war nicht mehr viel zu sehen. Sie schien seit Monaten ihre Ansätze nicht nachgefärbt zu haben, ihr Gesicht war aufgedunsen und rot. Und was war mit ihrem Körper passiert? Ich musste zweimal hinschauen, bis ich begriff. Madame war schwanger, so schwanger, dass ich Angst bekam, sie könnte an Ort und Stelle entbinden. Demonstrativ legte sie eine Hand auf ihren unglaublichen Leib, zerrte an Bernhard und sagte: »Ich habe alles bestellt. Wir können gehen. Kommst du?«
Ohne sich zu verabschieden – warum auch, er hatte mich auch nicht begrüßt –, trottete Bernhard gottergeben hinter seinem Walfisch her. Der wuchtete sich auf den Beifahrersitz eines nagelneuen, glänzenden Vans.
Was wohl aus dem schönen Porsche geworden war? Während ich einen Strauß erstand, kicherte ich boshaft in mich hinein und versuchte, diesen kleinen schmerzenden Kloß, der sich von meiner Kehle Richtung Herz schob, zu ignorieren. Was war das? Bedauern? Eifersucht? Nein, Bernhard war langweilig, und er war herrschsüchtig, und er hatte mich betrogen. Gut, dass ich den Scheißkerl los war.
Aber dass er Vater wurde, das gönnte ich ihm nicht.
Jahrelang war ich davon ausgegangen, dass Bernhard und ich eine Familie gründen würden. Ohne zu hinterfragen, ob ich mir tatsächlich ein Kind wünschte oder nur den gesellschaftlichen Ansprüchen genügen wollte.
Es blieb ohnehin eine rein rhetorische Frage. Erst war der Aufbau der Kanzlei wichtiger, dann schlief unser schales Sexleben gänzlich ein – Küsschen, gute Nacht, Licht aus, umdrehen. Jetzt war ich unbemannt, der Zug ins Familienparadies so gut wie abgefahren. Ich spürte einen Stich.
Mehr oder weniger schlecht
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