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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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echter als echt. Dass der Kerl aus dem Übersetzungsbüro so ein Lump ist, ist nun wirklich Pech. Beim nächsten Mal passen wir besser auf, wem wir unsere Dokumente anvertrauen.«
    »Es wird kein nächstes Mal geben«, sagte ich und ging.
     
    Ich schlich nach Hause, zog die Vorhänge zu und kroch unter meine Bettdecke. Das anfängliche Gefühl der Taubheit löste sich auf. Blanke, reine Wut breitete sich in meinem Magen aus.
    Die haben mich komplett verarscht, dachte ich, von vorn bis hinten angelogen. Und ich Depp habe alles geglaubt. Wertvolles Cello. Ljudmilja und Rostropowitsch. Kranke Seidenraupen. Mietminderung. Oh, mein Gott!
    Das Telefon klingelte. Ich ging nicht ran. Mein Vater nahm auch mit dem Anrufbeantworter vorlieb. »Schubert, Wilhelm« hatte dafür gesorgt, dass der alte Herr alles erfuhr.
    »Ich hoffe, das ist dir eine Lehre«, donnerte er, »ich habe es dir gleich gesagt. Russen!«

[home]
    6
    K onsequent stöpselte ich zu Hause mein Telefon aus. Nicht nur mein Vater versuchte, mich zu erreichen. Auch die Polyakows hinterließen kryptische Nachrichten, allen voran Artjom.
    »Paula, das ist ein Missverständnis. Ich kann’s erklären.«
    »Paula? Hallo, Paula?«
    »Paula, ruf bitte zurück! Ich muss mit dir sprechen.«
    »Paula, bist du da? Nimm doch mal ab.«
    »Paula, jetzt reicht’s, geh endlich ran!«
    Genau, es reichte. Nie wieder wollte ich mit diesen Menschen ein Wort wechseln. Ich verkroch mich in meiner Wohnung, ließ mir vom Bestellservice Pizza und Wein liefern und suhlte mich in meinem Elend.
    Nach der Wut kamen Traurigkeit und Enttäuschung. Wie hatte diese Familie mich so schamlos belügen können? Es hätte ihnen doch klar sein müssen, dass uns ihre Geschichte vor Gericht um die Ohren fliegt.
    Ich hatte ihnen vertraut. Ich hatte sie liebgewonnen, mich an ihre täglichen Besuche und unmöglichen Auftritte gewöhnt. Gerade weil sie mich so vorbehaltlos zu mögen schienen, weil sie so viel Zutrauen in meine Fähigkeiten hatten, weil sie mich so akzeptierten, wie ich war. Ein schönes Gefühl. Keins, das ich kannte. Nun löste es sich in Luft auf und hinterließ nur die Erkenntnis: Ich war nach wie vor ein ungeliebtes Nichts. Ein besonders dämliches dazu. Eins, das man leicht übers Ohr hauen konnte.
    Und ja, ich hatte auch Liebeskummer. Was hatte ich mich auf Artjom gefreut! Mir ausgemalt, wie wir nach gewonnenem Prozess ein rauschendes Fest feierten, wie er mich wieder küsste und wie wir beide, schlimmer als in jeder Liebesschnulze, von unserer Leidenschaft überwältigt wurden.
    Doch Artjom war ein Lügner und Betrüger. Er hatte Hoffnungen geweckt, mich manipuliert, sich herausgeredet.
    Ab und an standen Blumenboten vor der Tür, denen ich jedes Mal durch die Gegensprechanlage den Rat gab, sich zum Teufel zu scheren und ihren Auftraggeber gleich mitzunehmen. Dann wurde es ruhiger. Ganz ruhig. Ich traute mich, mein Telefon wieder in Betrieb zu nehmen. Es blieb stumm.
     
    Nach einer Woche wagte ich mich in die Kanzlei. Der Briefkasten quoll über, verstopft von zahlreichen Notizen Artjoms, deren Inhalt ähnlicher Natur war wie seine telefonischen Nachrichten. Ich warf sie weg.
    Dazwischen fand ich eine Mahnung der Wohnungsgesellschaft, von der ich mein Büro gemietet hatte. Ihre Lastschrift sei von meiner Bank mangels Kontodeckung zurückgegangen, ich möchte doch schleunigst die Rückstände ausgleichen. Ich zerriss den Brief in kleine Schnipsel.
    In der Erwartung, dass kein Schwein etwas von mir gewollt haben konnte, rief ich meinen Sekretariatsservice an.
    »Frau Matthes, Mensch, wo stecken Sie denn? Hier ist die Hölle los!«
    »Ach?«
    »Dauernd melden sich verzweifelte Menschen und versuchen, Sie zu erreichen.«
    »Lassen Sie mich raten – eine Familie Polyakow?«
    »Ja, ja, die auch. Und dann gibt’s da noch diverse andere Herren und Damen, die zum Teil sehr hartnäckig sind.«
    »Äh, und was wollen die?«
    »Einen Termin natürlich, was denn sonst?«
    »Ach?«
    »Frau Matthes, ist alles okay bei Ihnen?«
    »Ja, ja, danke. Sind Sie so nett und mailen mir eine Liste mit den Rückrufnummern? Ich kümmere mich dann darum.«
    Benommen stolperte ich in meine kleine Teeküche und trat dabei auf einen dicken Umschlag, den jemand durch den Briefschlitz der Eingangstür gezwängt haben musste. Keine Anschrift. Kein Absender. Wahrscheinlich von Artjom.
    Hätte mich das Telefonat nicht so verwirrt, wäre der Packen ungeöffnet im Papierkorb gelandet. So riss ich ihn

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