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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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keine Bedeutung haben?«
    »Weil frühere Partnerschaften prägen.«
    »So ein Psycho-Quatsch«, sagte er. »Du bist das, was zählt. Was gibt es heute eigentlich zu essen? Steak? Mach doch Spiegelei dazu, dein Huhn produziert ja genug.«
    Das stimmte zwar, der Eier-Futter-Tausch mit Frau Petrowa klappte vorzüglich, aber bevor ich sagen konnte, dass ich auf dieses Ablenkungsmanöver nicht hereinfiele, klingelte das Telefon. Mutter. Artjom war nicht undankbar für die Unterbrechung.
    Meine Zweifel waren nach diesem Gespräch nicht verstummt, aber immerhin auf die Lautstärke geflüsterter Warnungen reduziert, so dass ich sie im Alltag ignorieren konnte. Nach wie vor blieb mir auch keine Zeit für längere Grübeleien. Meine neue Tätigkeit als Beraterin für alle Lebenslagen forderte volle Aufmerksamkeit, die Kanzlei brummte wie nie zuvor.
    Außerdem galt es weiterhin, die Hochzeit zu planen. Nachdem alle Papiere beisammen waren, zwang ich Artjom, mit mir zum Standesamt zu gehen. Eine anfangs freundliche Beamtin empfing uns im Bezirksamt Eimsbüttel. Während sie versuchte, sich auf unsere Unterlagen zu konzentrieren, klingelte Artjoms Handy. Er scheute sich nicht, das Gespräch anzunehmen, und während er lauthals palaverte, durchmaß er mit seinem unnachahmlichen Stechschritt das kleine Büro. Von links nach rechts. Von rechts nach links.
    Sei es im Restaurant, im Theater, im Kino oder auf einer Behörde, Artjom ließ nicht anwesende Freunde und Verwandte gern an seinen Aktivitäten teilhaben. Ich hatte mich an seine Marotte, immer und überall zu telefonieren, längst gewöhnt. Die Dame vor uns jedoch war zusehends echauffiert.
    Durch eine missbilligend gehobene Augenbraue und ein leises Räuspern versuchte sie zu signalisieren, dass sie sein Verhalten unangemessen fand. Artjom lächelte sie charmant an und redete weiter.
    »Halloho«, hob sie an, »könnten Sie vielleicht später …«
    »Schschsch!« Beschwörend führte Artjom seinen Zeigefinger an die Lippen und zwinkerte ihr zu.
    »Sagen Sie mal«, wandte sich die Beamtin an mich, »muss das sein? Kann Ihr Lebensgefährte seine Unterhaltung nicht später fortführen?«
    »Entschuldigung«, sagte ich, »die Mutter von Herrn Polyakow ist schwer erkrankt. Er muss jederzeit erreichbar sein. Wir rechnen mit dem Schlimmsten.«
    Im selben Moment brach Artjom in wieherndes Gelächter aus, klappte sein Handy zu und ließ sich endlich auf den Stuhl neben mir fallen. Im Eiltempo erledigten wir die Formalitäten. Wahrscheinlich befürchtete unser Gegenüber weitere Nachrichten vom Sterbebett der Mutter.
    Am Ende mussten wir nur noch einen geeigneten Termin für die standesamtliche Trauung finden.
    »Wie wäre es im nächsten Frühjahr?«, schlug die Beamtin vor.
    »Nächstes Frühjahr? Das ist aber noch sehr lange hin«, wandte Artjom ein.
    »Ach, die paar Monate gehen schnell rum. Und meiner Erfahrung nach ist der Frühling die schönste Jahreszeit für eine Hochzeit. Die meisten Paare wollen unbedingt einen Termin im Mai.«
    »Von mir aus«, sagte ich.
    »Auf keinen Fall!«, erwiderte Artjom. »Mai – wer weiß, was bis dahin ist. Vielleicht bin ich dann schon tot!«
    »Oh, Sie sind auch krank?«, fragte die Dame besorgt.
    »Wieso ›auch‹?« Nun war Artjom irritiert.
    »Wir wollen einfach so schnell wie möglich heiraten«, grätschte ich dazwischen, »wann ist denn Ihr nächster freier Termin?«
    »Ach so, Sie müssen.« Sie guckte vielsagend auf meinen Bauch. »Nun ja, im November sieht’s gut aus. Da will eigentlich sonst keiner. Am Dreizehnten?«
    »Nehmen wir«, entschied Artjom.
    Klasse, dachte ich, ich heirate an einem Dreizehnten. Im November. Wahrscheinlich wird es wie aus Kübeln schütten.

[home]
    10
    G uck mal, Kiste. Ist fur dich.«
    Irina drückte mir eine riesige Pappschachtel in die Hand. Die junge Weißrussin war meine neue Aushilfe, Mischa hatte sie mir vermittelt. Drei bis vier Nachmittage in der Woche erledigte sie den Schreibkram, sprang als Dolmetscherin ein und finanzierte sich so ihr Studium. Irina war ein echter Zugewinn – und unglaublich neugierig.
    Erwartungsvoll sah sie mich nun an und wartete, dass ich den Karton öffnete. Ich bugsierte das Monstrum auf meinen Schreibtisch und widmete mich der Post.
    »Willst du nicht öffnen?«
    »Jaha, gleich.«
    »Komm, öffnen!«
    »Mensch, Irina, da ist doch nur wieder irgendwas zu essen drin.«
    »Nä, nä, drin lebt.«
    »Was?«
    »Hat Geräusch.«
    O nein, dachte ich, bitte, lieber Gott,

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