Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
gewesen.
»Ach, diese Rumpelkammer«, hatte Artjom immer gesagt, »zu klein, zu ungemütlich. Für meine Zwecke okay, aber für Damenbesuch wirklich nicht geeignet.« Ende der Diskussion.
Das Domizil, das er vor dem Einhüten bewohnt hatte, musste er aufgeben, weil der Besitzer urplötzlich und unerwartet auf Eigenbedarf pochte, von einer Sekunde auf die andere sollte er ausziehen.
Das Thema war Artjom unangenehm, sein Blick umwölkte sich, als wir davon sprachen, und er rief: »Ah, es gibt böse Menschen, Paula, richtig böse Menschen!«
Geschichten von bösartigen Vermietern stand ich skeptisch gegenüber, kritische Nachfragen stellte ich dennoch nicht. Von bösen Menschen wollten wir in unserem rosaroten Paradies nichts wissen.
Das Rosarot bekam auch ohne fremdes Zutun einen leichten Grauschleier. Kaum, dass Artjom eingezogen war und das Schlafzimmer nach seinen Wünschen umgestaltet hatte, fing er an, sich aufzuführen wie ein Pascha.
Haushalterische Tätigkeiten waren ihm völlig zuwider oder gänzlich fremd. Auf Schritt und Tritt ließ er Dinge fallen, die ich ihm hinterherräumte. Essen wollte er am liebsten nur Fleisch, dessen Zubereitung er aber hilflos gegenüberstand. So blieb es an mir, Unmengen blutiger Steaks zu braten.
»Salat dazu wäre gut«, sagte er knapp.
»Im Kühlschrank sind Gurken und Tomaten. Fang doch schon mal an zu schnippeln.«
»Ich?«
»Siehst du hier sonst noch jemanden?«
Da stand er dann, die Gurke in der einen, das Küchenmesser in der anderen Hand und schaute mitleiderregend. Selbstredend schnitt er sich in den Finger, wehklagend brach er auf dem Sofa zusammen. Damit war dieses Experiment für ihn gescheitert und erledigt.
Obwohl wir zusammenwohnten, wusste ich nie, wann und ob er überhaupt kam. Geschweige denn, wohin er ging. So redegewandt und mitteilsam er sonst war, so wortkarg wurde er, sobald die Rede seine täglichen Aktivitäten streifte. »Arbeiten«, »Geschäftsfreund treffen«, »Bisness« waren das Äußerste, was ich ihm entlocken konnte.
Als ich einmal zu oft nachhakte, schüttelte er unwirsch den Kopf.
»Paula, ich bin doch kein Kind mehr. Du musst mich nicht kontrollieren.«
»Mensch, so war das doch nicht gemeint. Ich interessiere mich halt dafür, was du machst.«
»Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss«, sagte er und grinste. »Hab ich mal irgendwo gelesen. Klingt gut, oder?«
Es klang nicht gut. Dafür, dass ich Artjom heiraten wollte, wusste ich immer noch erstaunlich wenig über ihn. Die kleinen Bedenken, die ich ob meiner überstürzten Entscheidung hatte und die sich von Zeit zu Zeit leise meldeten, wurden zu ausgewachsenen Zweifeln, die immer lauter und in kürzer werdenden Abständen in meinem Kopf dröhnten.
»Artjom, ich muss mit dir reden«, sagte ich deshalb in einem ruhigen Moment und versuchte, ihm meine Ängste begreiflich zu machen. Er wischte sie mit einer Handbewegung weg.
»Ach, Paula, du kennst meine gesamte Familiengeschichte. Und ich liebe dich. Was musst du mehr wissen? Hinterfrag nicht immer alles!«
»Ich will nur etwas über meinen zukünftigen Gatten erfahren. Das ist doch nicht zu viel verlangt.«
Das war es. Entrüstet sprang Artjom vom Küchenstuhl auf und riss sich dramatisch das Hemd auf.
»Du vertraust mir nicht, Paula. Ich reiße mir das Herz aus dem Leib und lege es dir zu Füßen. Und du? Du trampelst darauf herum!«
»Meine Güte, sei doch nicht gleich wieder so theatralisch. Kann man nicht einmal ein sachliches Gespräch mit dir führen?«
»Ha!«, brüllte er. »Theatralisch! Ich!«
Mit drei Schritten war er aus der Wohnung und polterte fluchend durchs Treppenhaus.
Das ist ja super gelaufen, dachte ich.
Eine Stunde später war er wieder da, bewaffnet mit roten Rosen und dem Blick eines geschundenen Tieres. Er fiel vor mir auf die Knie und erklärte:
»Du bist alles, was ich mir immer gewünscht habe, Paula. Ich will, dass du glücklich bist. Und wenn du mir dazu unbedingt Fragen stellen musst, dann frag!«
Na also, dachte ich, geht doch, und wagte mich ganz weit vor.
»Wie wäre es für den Anfang, wenn du mir etwas von deinem Vorleben erzählst?«
»Meinem was?«
»Frauen, Artjom, Frauen. Du bist neununddreißig. Du willst mir doch nicht erzählen, dass du noch nie eine Beziehung hattest?«
»Ach so. Klar hatte ich schon die eine oder andere Frau. Nichts von Dauer, das hat nie richtig gepasst. Aber das ist Vergangenheit. Warum sollte ich über Dinge sprechen, die für mich überhaupt
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