Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Eltern hatten genug miteinander zu tun. Die Eheringe erklärte Artjom zur Chefsache. Alles lief seinen geregelten Gang. Und langsam, ganz langsam, fand ich etwas Ruhe.
Selbst als der Herr verkündete, er sei in der Woche vor unserer Hochzeit leider abwesend – »Bisness, Paula, Bisness!« –, blieb ich gelassen. Die Aussicht, meine letzten Tage in Freiheit ungestört zu verbringen, fand ich geradezu verlockend.
Als Lena anrief, um zu erfahren, ob ich irgendeine Art von Junggesellinnenabschied geplant hätte, reagierte ich verhalten.
»Weißt du, ich bin ja nicht so ein Partygirl. Und in einer albernen Verkleidung durch die Gegend zu ziehen und komische Spielchen zu spielen, ist echt nicht meins.«
»Was hältst du davon, wenn wir mit ein paar Freundinnen in die Banja gehen?«
»Wohin?«
»Banja, Sauna. Bisschen schwitzen, quatschen, lecker essen und trinken. Ich organisier’ das. Du musst dich um nichts kümmern.«
Sauna – das klang nett. Entspannt.
Um nichts kümmern – das klang noch netter.
Warum nicht? Ich bedankte mich bei Lena für die reizende Idee und versorgte sie mit den Telefonnummern meiner ehemaligen Kommilitoninnen Heike und Elisabeth, die ich auch zur Hochzeit eingeladen hatte.
Die beiden konnten gegensätzlicher kaum sein. Heike war eine stämmige Dithmarscher Bauerstochter, laut, lustig und von robustem Gemüt, was sie aus der elitären Jura-Clique herausstechen ließ. Direkt im Anschluss an ihr Studium heiratete sie einen Hamburger Schweinehändler, gebar ihm drei Söhne und fristete seitdem ein Dasein als überqualifizierte Hausfrau.
Elisabeth dagegen war eine echte »von und zu«, verarmter niedersächsischer Landadel, ausgestattet mit gutem Aussehen, tadellosen Manieren, gehörigem Standesdünkel und dem unbedingten Willen, den maroden Mauern des heimischen Gutshauses zu entfliehen. Sie war nun schon zum zweiten Mal vermögend geschieden und arbeitete als Familienrechtlerin. Nicht, dass sie es noch nötig gehabt hätte.
Außer den beiden und Irina hatte Lena noch Anastassia, Natalia und Julia eingeladen, die ich nicht kannte. Aber sie standen auf Daryas Gästeliste und waren die Gattinnen von wem auch immer.
»Wo saunieren wir denn?«, fragte ich Lena, als wir zu unserem Treffen loszuckelten, und wähnte mich schon bald in der Wellness-Anlage eines exklusiven Hotels.
»Mischa hat einen neuen Nachtclub gepachtet. Der ist noch nicht eröffnet, weil die Bar renoviert werden muss. Aber unten im Keller gibt’s eine Sauna und einen riesigen Whirlpool, alles picobello! Wir sind ganz unter uns.«
Ach, herrje, dachte ich, gleich sind wir nackt im Puff. Das Ambiente für meinen Junggesellinnenabschied hatte ich mir etwas gediegener gewünscht. Mir wurde mulmig. Was wohl Elisabeth dazu sagen würde?
Mit Schwung raste Lena durch die Stadt und schoss schließlich auf einen Hinterhof in St. Georg. Die deutschen Damen waren selbstredend pünktlich und drückten sich etwas verloren in der Auffahrt herum. Elisabeth, bewaffnet mit Beautycase und Hermès-Reisetäschchen, stürzte auf mich zu.
»Da seid ihr ja endlich! Wo soll denn hier bitte schön eine Sauna sein?«
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde sagte Lena: »Kommt mit!«, und öffnete im hintersten Winkel des Hofes eine schwere weiße Tür mit einer verschlossenen Sichtklappe. Wir stolperten hinter ihr durch einen rabenschwarzen Gang, durchquerten den im Aufbau befindlichen Club und stiegen weiß gekachelte Treppen hinab.
Unten erwartete uns ein riesiger Raum mit einer verspiegelten Decke, terrakottafarbenem Boden, mehreren roten Plüschsofas und einer überdimensionierten Spielwiese voller Kissen und Plaids. Das Ambiente erinnerte entfernt an mein neues Schlafzimmer. Nur der röhrende Hirsch an der Wand fehlte.
Dafür standen in den Ecken griechisch-römisch anmutende Statuen, Männer und Frauen, ins Liebesspiel vertieft. An einer der Längsseiten des Zimmers war ein üppiges Büfett mit russischen Schmankerln aufgebaut. Schwere Kandelaber verbreiteten mit ihren Kerzen ein warmes Licht.
»Das nenne ich mal eine originelle Location«, sagte Elisabeth, den Blick auf das imposante Gemächt eines steinernen Jünglings geheftet.
»Wow, lecker!« Heike hatte nur Augen fürs Büfett. »Ist das schon eröffnet?«
»Bitte, die Damen«, Lena klatschte in die Hände, und ein Jüngling aus Fleisch und Blut erschien, gehüllt in ein zu einer Toga drapiertes Bettlaken, und reichte ihr ein Glas Sekt. Dann stellte er sich mit stoischem
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