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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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Abholkommando anrollen – Darya und Mutter hatten ein großes Geheimnis daraus gemacht – und um sechzehn Uhr die standesamtliche Trauung vollzogen werden.
    Rechtzeitig schlüpfte ich in nagelneue Dessous, Seidenstrümpfe und mein rotes Wunder. Zum Schluss stieg ich in die kürzlich erworbenen, sündigen High Heels. Dann präsentierte ich mich meinen Eltern.
    »Mein Gott, Paula, du siehst hinreißend aus.« Mutter hatte feuchte Augen. »Und dieses Make-up. Da sieht man gleich, dass ein Profi am Werk war …«
    Vater schluckte und räusperte sich. »Wirklich, sehr hübsch.«
    »Danke, Papa.«
    Punkt dreizehn Uhr dreißig war Familie Matthes zum Abmarsch bereit und wartete im vollen Feststaat. Es wurde vierzehn Uhr, vierzehn Uhr dreißig, fünfzehn Uhr. Kurz nach drei klingelte es Sturm. Ich riss die Tür auf, vor der Artjom, Mischa und zwei weitere Herren standen.
    »Nanu, so pünktlich heute?«, fragte ich.
    »Natürlich, was denkst du denn? An so einem Tag!«, sagte Artjom, an dem mein Sarkasmus wie immer spurlos vorüberging.
    Wir eilten zu einer Stretchlimousine, die im Vorgarten parkte. Auf der halsbrecherischen Fahrt nach Eimsbüttel – Mischa saß am Steuer – kam ich endlich dazu, mir meinen Zukünftigen in Ruhe anzuschauen. Wow, dachte ich, nicht schlecht.
    Artjom trug einen nachtblauen Smoking mit passender Fliege, unter der Weste blitzte ein cremefarbenes Rüschenhemd. Er sah unverschämt gut aus.
    »Dein Kleid ist unglaublich«, flüsterte er mir ins Ohr und schaute mich an. »Aber hast du schlecht geschlafen? Du hast so dunkle Ringe unter den Augen.«
    »Nein, nein, alles gut. Ich bin nur etwas aufgeregt.«
     
    Sehr kurz vor vier erreichten wir das Standesamt und hetzten in die Eingangshalle, in der eine unübersichtliche Anzahl an Menschen wartete. Unschwer konnte man zwei Gruppierungen ausmachen. Rechts das deutsche Häuflein, im gediegen-dezenten hanseatischen Schick, das misstrauisch die russische Meute zur Linken beäugte. Dort trugen die Herren fast ausnahmslos Sonnenbrillen, die Damen bestachen durch farbenfrohe und knappe Outfits, deren bloßer Anblick eine Blasenentzündung verursachte.
    Das sind aber viel zu viele, dachte ich. Wahrscheinlich ist das schon die nächste Hochzeitsgesellschaft. Und wo sind eigentlich Darya und Rostislav?
    Es blieb weder Zeit, sie zu suchen, noch die Gäste anständig zu begrüßen. Mutter drückte mir den Brautstrauß in die Hand, dann zwängten wir uns in das kleine Trauzimmer. Die Standesbeamtin guckte vorwurfsvoll auf ihre Uhr und wartete darauf, dass alle ihren Platz fanden. Ein unmögliches Unterfangen, der begrenzte Raum fasste nicht die Menge an Menschen, die hineindrängte. Es gab erste kleinere Tumulte. Aus den Augenwinkeln erspähte ich Tante Irmi, Vaters Cousine, die mit ihrem Rollator Mischa beherzt über die Füße fuhr, um sich Platz zu verschaffen.
    »Meine Herrschaften, bitte!«, rief die Standesbeamtin. »Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass nur die engsten Verwandten und die Trauzeugen das Brautpaar begleiten und die anderen auf dem Flur warten. Wir können ja die Tür auflassen. Dann hören sie zumindest alles.«
    Es gab ein längeres Gedrängel, Geruckel und Geschiebe, erschöpft landeten meine Eltern neben mir, auch Mischa und Lena, unsere Trauzeugen, bahnten sich ihren Weg. Tante Irmi konnte die Umstehenden davon überzeugen, dass sie wirklich zum Familienkreis zählte. Schnell wurde sie ihrer Gehhilfe beraubt und über die Köpfe der anderen nach vorne getragen. Langsam beruhigte sich die Horde. Nur von Darya und Rostislav gab es weit und breit keine Spur.
    »Wo sind deine Eltern?«, zischte ich.
    »Keine Ahnung. Aber die sind bestimmt gleich da.«
    »Und wenn nicht?«
    »So«, erhob die Beamtin ihre Stimme, »können wir beginnen?«
    »Entschuldigung, meine Schwiegereltern fehlen noch. Vielleicht stecken sie im Stau.«
    Die Dame knirschte mit den Zähnen und schüttelte den Kopf. »Wir müssen jetzt wirklich anfangen. Wir hinken zeitlich schon hinterher. Können Sie die Vermissten mal anrufen?«
    Artjom suchte hektisch nach seinem Handy, das allerdings im Auto lag. Dafür wurden etwa sechzig andere Mobiltelefone gezückt, deren melodische Klingeltöne schon die ganze Zeit den festlichen Rahmen untermalt hatten. Keiner konnte die beiden erreichen, wahrscheinlich war das Netz unter dem Ansturm der Anrufe zusammengebrochen.
    »Wir beginnen«, entschied die Standesbeamtin, denn langsam wurde auch die Luft in dem überheizten

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