Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Spritze auf und rammte sie Eika in die Flanke. Sie dämmerte weg. Er nahm ein Skalpell, schüttete Wodka darüber und schnitt Eika den Bauch auf. Mutter wurde in Rostislavs Armen ohnmächtig, Vater wimmerte, richtig gut war mir auch nicht.
»Ich denke, er ist Kieferchirurg«, raunte ich Artjom zu, »weiß er, was er tut?«
»Natürlich«, raunte Artjom zurück, »ein russischer Arzt kann alles.«
Sechs Welpen holte Alexej nach und nach heraus, nabelte sie ab und reichte sie Darya, die die Winzlinge sogleich mit einem Handtuch abrubbelte. Einer atmete nicht, Deduschka schüttelte ihn erst kopfüber, als das nichts half, saugte er sanft an seiner Schnauze, spie eine undefinierbare Flüssigkeit auf den Boden und blies dem Kerlchen Luft ein. Es japste und quiekte. Zufrieden benetzte Alexej die Hundezunge mit ein wenig Wodka und nahm selbst einen guten Schluck.
Dann versorgte er Eikas Wunde und nähte sie fachmännisch, während er vergnügt vor sich hin pfiff. Während der ganzen Prozedur wurde so gut wie kein Wort gewechselt. Ebenso still gingen wir nach oben, nur Darya blieb bei den Tieren. Vater schenkte Cognac aus, Mutter kochte Kaffee.
Ich gesellte mich zu ihr in die Küche.
»Sag mal, was machen eigentlich Darya und Rostislav hier?«
Ich erfuhr, dass meine Schwiegermutter schon seit zwei Wochen täglich bei meinen Eltern ein und aus ging, um der trächtigen Hündin ihre Pflege angedeihen zu lassen. Mit der ihr eigenen Selbstverständlichkeit war sie quasi zu Eika in den Zwinger gezogen. Rostislav brachte sie hin, hielt ein Schwätzchen mit Mutter, fuhr zurück nach Hause und holte seine Frau wieder ab, sobald sie es verlangte.
»Und Papa hatte nichts dagegen?«
»Hatte er schon. Aber was sollte er machen? Sie versteht ihn ja nicht. Und was für ein Glück, dass die beiden heute Abend da waren. Dein Vater konnte den Tierarzt nämlich nicht erreichen.«
Einträchtig saßen wir anschließend zusammen, ein Hort der Harmonie. Deduschka hatte sich in seinem Trainingsanzug wie ein riesiger grüner Laubfrosch in den Ohrensessel gequetscht. Vater war immer noch etwas blass um die Nase.
»Na, Papa, alles okay bei dir?«
»Ganz erstaunlich«, flüsterte er, »dieser Großvater scheint ein ganz erstaunlicher Mensch zu sein.«
Gegen Morgen ging ich in den Keller, um nach den Welpen zu schauen. Sie schliefen, eng an Eika geschmiegt. Sie waren allesamt silbrig-grau, eindeutig das mütterliche Erbe, das zerrupfte Fell jedoch konnte nur vom Vater stammen.
»Du Teufelskerl«, sagte ich zu Sputnik, der stolz neben Darya saß.
Eine Geburt kann ein einschneidendes Erlebnis sein, für alle Beteiligten. Vater jedenfalls war ungewöhnlich milde gestimmt. Nachdem der Tierarzt endlich da gewesen war, erstattete er Bericht.
»Dieser Mensch hat Eika das Leben gerettet. Ohne den Kaiserschnitt hätte sie die Geburt nicht überstanden. Dr. Kluge sagt, unter den gegebenen Umständen ist die Operation einwandfrei verlaufen. Ist Rostislavs Vater nicht eigentlich Zahnarzt?«
»Ein russischer Arzt kann alles«, sagte ich.
»Soso. Na gut. Ach, Paula, mir ist zu Ohren gekommen, dass Artjom in Schwierigkeiten steckt.«
Bernhard, du Arschloch, dachte ich und sagte:
»Na, was heißt schon Schwierigkeiten? Es hat da bei einem Meeting ein kleines Missverständnis gegeben …«
»Schon gut, ich bin im Bilde. Ich habe Bernhard genau instruiert, was zu tun ist. Falls ihr mehr Hilfe benötigt, sagt Bescheid.«
Ich war viel zu verblüfft, um mich zu bedanken, nahm mir aber vor, es meinem Ex bei passender Gelegenheit heimzuzahlen.
Der arbeitete indes mit der Präzision und Zuverlässigkeit eines Uhrwerks. Ich hatte es nicht anders erwartet. Menschlich gesehen mochte er ein Totalausfall sein, als Anwalt war er brillant. Seine charakterlichen Defizite kamen ihm beruflich eher zugute, bei ihm paarte sich Akribie mit Skrupellosigkeit. Wehe dem, der ihn zum Gegner hatte.
Artjoms Fall widmete Bernhard sich mit allergrößter Hartnäckigkeit, was mich ein wenig erstaunte. Viele Lorbeeren waren dabei nicht zu holen. Erst schrieb ich sein Engagement dem Einfluss von Vater zu, dann fand ich heraus, dass es ihm gelungen war, auch die sieben anderen Beschuldigten zu vertreten. Besonders angetan hatten es ihm die beiden Hannoveraner Ehrenmänner, ein auf Landesebene hochrangiger Politiker und dessen väterlicher Freund, ein steinreicher Industrieller. Diese Art Mandanten nahm Bernhard mit Kusshand, Artjom war nur Mittel zum Zweck.
Tatsächlich
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