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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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gab ich nach, »dann lass uns in Ruhe überlegen, was wir machen können.«
    »Nein«, entschied Lena, »Mischa sucht mich bestimmt schon. Wir müssen hier weg. Reden können wir später.«
    »Dann lass uns zu mir fahren.«
    »Nein! Mischa ist doch nicht blöd. Wahrscheinlich lauert er schon vor deiner Tür.«
    Meine Güte, dachte ich, das ist ja wie in einem schlechten Agentenfilm. Ich überlegte kurz, dann versuchte ich, Mutter zu erreichen. Ich erwischte sie auf ihrem Handy.
    »Hallo, Mama, ich habe ein kleines Attentat auf dich vor. Könnte Lena ein, zwei Nächte bei euch übernachten?«
    »Warum schläft sie denn nicht zu Hause?«
    »Äh, lass es mich so sagen: Der Haussegen hängt gerade etwas schief.«
    »Also weißt du …«
    »Mama, bitte! Bei uns ist doch kein Platz, wir haben schon Alexej. Und ihr habt schließlich ein Gästezimmer.«
    Mutter seufzte. »Na gut. Wenn’s denn sein muss.«
    »Super, danke. Wir sind gleich da.«
    »Wir aber nicht. Wir fahren zu Tante Irmi. Du hast ja einen Schlüssel.«
    Ich sagte Irina, dass ich einen Termin hätte, und verdonnerte sie dazu, niemandem zu verraten, dass Lena hier gewesen war.
    »Und vergiss nicht wieder abzuschließen, wenn du gehst«, bat ich sie.
    »Ich verrgess’ nie!«, antwortete sie eingeschnappt.
    Ja, ja, dachte ich, hast du in letzter Zeit aber schon zwei Mal.
    Wir packten Lenas Hab und Gut in mein Auto und fuhren zu mir, um den Schlüssel zu holen. Lena wartete im Auto – mit laufendem Motor.
     
    Im Treppenhaus begegnete ich Alexej, der pfeifend auf einer Leiter stand und die Wände strich.
    »Was machst du da?«, fragte ich entgeistert.
    »Neue Farbe. Schön«, sagte er und deutete auf das dunkle Blau.
    Er hatte sich zum guten Geist des Hauses entwickelt, da ihn die Aufgaben in der Datscha nicht ausfüllten. Er wechselte Glühbirnen, reparierte Kellertüren, fegte die Treppen. Die Nachbarn waren sich im Gegenzug einig, dass man mit seinen morgendlichen Marotten leben konnte.
    Nachdem unser Fernseher aus unerklärlichen Gründen den Geist aufgegeben hatte und der Kundendienst auch nach einer Woche noch nicht aufgetaucht war, um den Fehler zu beheben, verschwand Alexej nun regelmäßig am Abend. Ich war neugierig, wohin er ging, und schaute aus dem Fenster, um zumindest seine grobe Richtung auszumachen. Aber er verließ gar nicht das Haus.
    Bei seinem nächsten Ausflug linste ich durch den Spion. Er klingelte bei Frau Hinrichs. Die Tür öffnete sich. Er trat ein. Die Tür schloss sich. Nanu, dachte ich, was will er denn da? Wie sich später herausstellte, schauten die beiden zusammen fern.
    Alexej, plötzlich seines Freizeitvergnügens beraubt, war auf der Suche nach Ersatz bei meiner Nachbarin vorstellig geworden. Ich vermute, dass sie ihn anfangs allein aus Angst vor dieser Masse Mensch hereinbat. Dann entdeckten sie ihre gemeinsame Leidenschaft für Liebesfilme, und Frau Hinrichs besaß alle Rosamunde-Pilcher-Filme auf DVD .
    Ich stellte mir gern vor, wie die zwei einträchtig ergriffen auf der Couch saßen, Deduschka in seinem grünen Trainingsanzug, Frau Hinrichs im gelben Morgenmantel.
    Seinem Deutsch taten die Schnulzendialoge allerdings nicht gut. Beim Essen sagte er plötzlich Sachen wie: »Wärrest du so rreizend, mir die Buttärr zu rreichen, Liebstä?« oder »Vorrzuglich, wahrrhaft vorrzuglich.« Wenn er mir etwas mitteilen wollte, schmiss er sich in Pose und dramatisierte: »Wirr mussen rräden. Es duldet kainen Aufschub!«
    Jetzt ging ich an ihm vorbei, ohne weiter auf seine Renovierungsaktion einzugehen. Kurz sorgte ich mich, was unser Vermieter zu dieser Eigeninitiative sagen mochte. Aber ich hatte keine Zeit und Nerven, Alexej zu maßregeln, und wusste, dass dieser Versuch ohnehin vergeblich gewesen wäre.
    Ich schnappte mir schnell den Schlüssel, hetzte zum Auto zurück und brachte Lena nach Nienstedten. Während ich noch am Schloss herumfummelte, öffnete sich die Haustür, und Darya sah uns erstaunt an.
    »Darya! Was machst du denn hier?«, fragte ich.
    »Chundchen.«
    Die große Tierfreundin war nach wie vor im Einsatz. Mir soll’s recht sein, dachte ich, je öfter sie hier ist, desto seltener ist sie bei uns.
    Darya war unser Eindringen offenbar nicht geheuer. Ein wenig gerierte sie sich wie eine strenge Haushälterin, die jedem Besuch unterstellt, er würde die silbernen Löffel klauen. Ich versicherte ihr, dass unser Erscheinen mit Mutter abgesprochen war, und fragte mich, warum ich mich eigentlich rechtfertigen

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