Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
wir uns an. Stahlblick gegen Hundeaugen. Ich registrierte, wie eine Ader an meinem Hals pochte. Dann explodierte ich.
»Willst du mich verarschen? Für wie blöd hältst du mich eigentlich?«
»Paula …«
»Bist du noch ganz dicht? Wer soll dir das denn glauben? Soll ich dir sagen, was das hier ist? Eine illegale Spielhölle ist das! Ihr habt um Geld gezockt.«
»Aber Paula …«
»Sei still. Ich will nichts mehr hören. Ich fahr dich erst mal zum Arzt.«
Der geprügelte Hund versicherte mir, dass die Hotelrechnung schon beglichen sei, packte seine Habseligkeiten und schlich hinter mir zum Auto. Mein Kopfkarussell drehte sich unaufhörlich weiter. Matthes, reiß dich zusammen, dachte ich, in der Ruhe liegt die Kraft.
Ich brachte Artjom in die Notaufnahme eines Krankenhauses, setzte mich ins Wartezimmer und telefonierte mich von Pontius bis Pilatus. Nachdem ich minutenlang in verschiedenen Warteschleifen gehangen hatte, durfte ich mit einem unwirschen Menschen in der Polizeidirektion Hannover sprechen.
»Was glauben Sie denn, junge Frau, wer um diese Uhrzeit hier ist? Die Kollegen müssen auch mal schlafen.«
»Ja, aber können Sie mir zumindest sagen, wer denn im weitesten Sinne für, äh, Kartenspiele zuständig ist?«
»Kartenspiele?«
»Ähm, besser gesagt, illegales Glücksspiel.«
»Gute Frage, nächste Frage. Wartense mal …«
Im Hintergrund hörte ich das Klacken einer Tastatur.
»Also, versuchen Sie’s später entweder bei der Kriminalfachinspektion 3 , Wirtschaftskriminalität, oder im Fachkommissariat 1 , Organisierte Kriminalität. OK ist wahrscheinlich besser. Tschüss.«
Organisierte Kriminalität. Mir wurde übel. Mein Mann war ein Verbrecher. Hätte ich bloß auf meinen Vater gehört.
Ich begab mich auf die Suche nach dem Mafiapaten und entdeckte ihn, gutgelaunt mit einer Krankenschwester schäkernd, in einem Behandlungsraum. Seine Nase zierte ein großes Pflaster, sie schien aber wieder einigermaßen gerade zu sein. Die Unterlippe war etwas geschwollen. Ansonsten hatte er Oberwasser.
»Kuckuck, Paula, hier bin ich.«
»Und? Ist was gebrochen? Bleibende Schäden?«
»Nein, nein, alles halb so wild. Im Grunde nur ein paar Kratzer.«
»Schade.«
Die Krankenschwester schaute mich böse an. Artjom grinste verlegen. Die dicke Lippe verlieh ihm dabei eine reizvoll schmollende Aura. Nicht mit mir, mein Lieber, nicht mit mir, dachte ich.
Er hievte sich von der Liege und sagte: »So, und jetzt gehen wir in aller Ruhe frühstücken.«
»Nix da«, zischte ich, »ab nach Hause!«
Die Rückfahrt verlief nahezu schweigend. Ein paarmal startete Artjom den Versuch, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Ich würgte ihn ab. Zu Hause verschwand er beleidigt im Schlafzimmer.
»Ich leg mich erst mal hin. Vielleicht hast du dich nachher ja wieder beruhigt.«
Alexej war zum Glück schon aufgebrochen, um sein Tagwerk zu verrichten. Ich watete durchs Bad und nahm mir zum hundertsten Mal vor, eine Putzfrau einzustellen. Ha, dachte ich, mein Mann hat grade dreißigtausend Euro verspielt, wir haben’s doch.
Ich gönnte mir eine Dusche und fuhr in die Kanzlei.
Acht Uhr dreißig. Mittlerweile sollten sie in Hannover aufgestanden sein. Ich versuchte erneut mein Glück. Die Jungs von der Organisierten Kriminalität wussten von nichts. Genauso wenig wie die Kollegen, die die Wirtschaftskriminellen betreuten. Ich landete wieder in der Zentrale.
»Sagen Sie mal, irgendwer muss doch etwas über den Einsatz letzte Nacht im Hotel Luisenhof wissen«, insistierte ich.
»Wartense, wartense …« Klack, klack. »Oh. Ich hab’s. Drogen! Sie müssen zu den Drogen. Ich stell durch. Tschüss.«
Zu der anhaltenden Übelkeit gesellte sich Schwindel.
»Ja, ja, die lustige Pokerrunde«, dröhnte ein lachender Mensch durch den Hörer. »Wie kann ich Ihnen da weiterhelfen? Wer sind Sie denn eigentlich?«
»Paula Matthes. Ich bin die Anwältin von Herrn Polyakow«, sagte ich.
»Jahaha, einen Anwalt wird der Gute mit Sicherheit brauchen. Das ist eine Geschichte, ich kann Ihnen sagen …«
Ausschweifend weihte mich der Ausbund an Fröhlichkeit in die Ereignisse der letzten zwölf Stunden ein. Gegen Mitternacht habe der Manager des Hotels Luisenhof bei der für ihn zuständigen Polizeiwache angerufen, um seltsame Vorgänge in einer seiner Suiten zu melden. Dabei habe er erwähnt, dass eine große Menge Geld im Spiel sei. Besorgt um den guten Ruf seines Fünfsternehauses bat er allerdings darum, keinen
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