Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen
Flunkereien, das ist doch alles nicht so wichtig.«
»Findest du? Also ich hätte schon gern gewusst, womit du dein Geld verdienst. Von deinem Vater wollen wir erst gar nicht reden. Oder davon, dass mit euren Aufenthaltstiteln irgendetwas nicht stimmt.«
»Damit stimmt alles.«
»Ach, seid ihr in den letzten Tagen konvertiert?«
Artjom schwieg einen Augenblick und nahm dann meine Hand.
»Paula, mach dir keine Sorgen. Wir können einwandfrei belegen, dass wir Juden sind. Und es gibt niemanden, der uns das Gegenteil beweisen kann. Nicht hier in Deutschland und nicht in Russland.«
»Ich mache mir aber Sorgen. Wenn ich an das gefälschte Gutachten vom Cello denke …«
»Ha, das waren auch Stümper!«
»Na, dann bin ich ja beruhigt.«
»Schluss jetzt«, sagte er, kam um den Tisch herum und nahm mich in den Arm. Das wurde auch Zeit. Ich weinte ein wenig und wischte meine Nase an seinem Ärmel ab. »Ich will mich nicht ständig mit dir streiten«, sagte Artjom, »du musst mir einfach vertrauen. Ich würde niemals etwas tun, was dich verletzen oder in Gefahr bringen könnte. Okay?«
Ich heulte zur Sicherheit noch ein wenig weiter.
»Ich liebe dich, Paula. Du bist alles, was ich mir immer gewünscht habe. Okay?«
»Okay. Aber zwei Sachen hätte ich da noch …«
»Was denn?«
»Also, erstens: Gibt es etwas, das du mir noch nicht erzählt hast?«
Artjom lachte. »Oh, da gibt es noch ganz viel. Aber ich kann mein Pulver ja nicht auf einmal verschießen. Nachher wird dir noch langweilig mit mir.«
»Artjom!«
»Das war ein Scherz. Das Wichtigste weißt du, wirklich!«
»Ha, ha. Und was machen wir mit Bernhard?«
»Das haben wir geregelt. Papas Kumpel Vladimir hat ihm einen Besuch abgestattet.«
»O Gott«, mir wurde ganz anders, »lebt er noch?«
»Bernhard erfreut sich bester Gesundheit. Er ist nun Vladimirs deutscher Rechtsbeistand und hilft ihm bei der Abwicklung seiner Immobiliengeschäfte. Wir fanden, Bernhard ist genau der richtige Mann dafür.«
Artjom grinste triumphierend, dann öffnete er den Küchenschrank und holte ein Paket hervor.
»Für dich. Damit du mir nicht mehr böse bist.«
Ich riss ungeduldig das raschelnde Papier auf und staunte. Ein rubinbesetztes Armband funkelte mir entgegen, dazu gab es einen Gutschein für ein Candlelight-Dinner in meinem Lieblingsrestaurant – und ein T-Shirt. Bedruckt war es mit einem Foto, das Weihnachten entstanden sein musste: Mutter, Vater, Darya, Rostislav, Artjom und ich lachend vorm Tannenbaum.
»O Schatz, danke! So schöne Geschenke«, sagte ich, »besonders das T-Shirt.«
»Jetzt kannst du deine Familie immer am Herzen tragen. Ich wusste, dass es dir gefällt …«
Wir verbrachten eine stürmische Nacht der Versöhnung, die nur kurz von Alexej unterbrochen wurde. Er polterte in unser Schlafzimmer, rief: »Paula! Angenehm, angenehm«, küsste mich feucht auf beide Wangen und verschwand wieder. Wenigstens einer, der mich wirklich vermisst hat, dachte ich. Trotzdem konnte es so nicht weitergehen.
Kurz vorm Einschlafen suchte ich ein letztes Mal das Gespräch.
»Artjohom?«
»Hmmmm?«
»Wissen wir inzwischen, wann Deduschka wieder nach Hause fährt?«
»Der bleibt uns erhalten.«
»Wie meinst du das?«
»Er wird sein Visum verlängern.«
»Ich dachte, nach neunzig Tagen ist Schluss.«
»Keine Bange, Paula. Alles ganz legal. Er wird Sprachschüler und lernt offiziell Deutsch, am Goethe-Institut. Toll, nicht?«
»Super, einfach super.«
»Kein Sarkasmus, Paula. Bitte!«
»Hmmm. Du, Artjohom?«
»Was gibt’s denn noch?«
»Es wird ja jetzt wärmer. Da kann Deduschka doch in die Datscha ziehen.«
»Wärmer? Wir haben Februar, draußen sind vier Grad!«
»Na und? Ihr Russen könnt doch Kälte ab!« Ich kicherte ins Kissen.
Mutter und Rostislav hatten im Reisebüro den perfekten Familienurlaub gefunden – und auch gleich gebucht.
»Ihr hättet vorher mal fragen können, ob uns das recht ist. Das ist schließlich unser Hochzeitsgeschenk«, nörgelte ich. »Papperlapapp«, sagte meine Mutter, »das war ein Last-Minute-Angebot, da mussten wir zuschlagen.«
»Last Minute? Wann soll es denn losgehen?«
»In zwei Wochen.«
»Oh, so bald. Und wohin fahren wir?«
»Wir fahren nicht, wir fliegen – nach …«, sie machte eine Pause, fast konnte ich einen Trommelwirbel hören, »… Fuerteventura! In den Club Sunshine Paradise, viereinhalb Sterne, ganz schick. Alles inklusive.«
»All-Inclusive-Club-Urlaub?« Ich stöhnte.
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