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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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nickte wieder.
    »Den vermisst du doch bestimmt. Gerade jetzt, wo bald alles grünt und blüht.«
    »Gibt Datscha hier«, sagte Alexej und betrachtete die kahlen Bäume vorm Restaurant.
    Das war mein Stichwort. »Genau, die Datscha. Die hast du so toll renoviert. Dieser schöne Wintergarten! Jetzt ist da auch richtig Platz.«
    Alexej zog ein wenig den Kopf ein, als witterte er Gefahr. Nicht nachlassen, Matthes, dachte ich, nicht nachlassen.
    »Weißt du, bei Artjom und mir ist es auf Dauer doch ein wenig eng …«
    »Äng?«, Alexej lachte. »Ist nicht äng! Kennst du Wohnung in Russland? Zwei Zimmärr, funf Mänschen, und Küche und Toilette teilen mit andere zähn Familie.«
    »Und deswegen ziehen im Frühling auch alle auf ihre Datschen«, behauptete ich, »das sollten wir genauso machen.«
    »Wir ziehän auf Datscha?«, fragte Alexej.
    »Nicht wir. Du.«
    »Ah! Was sagt Dascha?«
    Darya war allerdings ein Problem. Natürlich hatte ich ihr von meinem Plan, Deduschka in die Laube zu verfrachten, nichts erzählt. Ich wusste, wie ihre Antwort lauten würde. Deshalb war es besser, Fakten zu schaffen.
    »Darya findet die Idee super. Endlich mal jemand, der sich richtig um den Garten kümmert, hat sie gesagt.«
    »Ah!«
    »Weißt du, ich hab mir gedacht, wir überraschen die anderen. Wir sind ja bald zwei Wochen weg. In der Zeit kannst du in aller Ruhe umziehen und schon mal damit anfangen, den Garten neu zu gestalten. Was meinst du, was die für Augen machen, wenn wir zurückkommen.«
    »Hmmm.« Alexej war noch nicht überzeugt.
    »Du könntest ein Beet mit ganz vielen Stiefmütterchen anlegen. Frau Hinrichs hilft dir bestimmt dabei, Stiefmütterchen sind ihre ab-so-lu-ten Lieblingsblumen.«
    »Hmmmhmmm.« Sein Widerstand schwand.
    »Gemeinsame Gartenarbeit schweißt bekanntlich zusammen. Abends könntet ihr Lagerfeuer machen und in den Sternenhimmel gucken …«, ich seufzte, »… wie romantisch.«
    Deduschka wischte sich bedächtig mit einer Serviette den Mund ab, ich konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Dann lächelte er und sagte: »Gutt.«
    Ich hatte ihn im Sack.
    »Prima. Aber nichts den anderen sagen, soll ja eine Überraschung sein.«
    Aus dir wird noch ein echtes Schlitzohr, Matthes, dachte ich und orderte zwei Marillenbrände. Doppelte.
     
    Je näher der Ferienstart rückte, desto aufgeregter wurden alle. Darya war mit der Auswahl ihrer Urlaubsgarderobe beschäftigt, Mutter nervte Vater, indem sie ihm aus Reiseführern vorlas, und Rostislav schmetterte stundenlang: »O sole mio«.
    »Ich dachte, wir fahren nach Spanien«, neckte Artjom ihn.
    Niemandem fiel auf, dass Alexej und ich öfter verschwanden. Wir klapperten die Gartenmärkte ab, besorgten Blumenerde, Samen und Pflanzen, die wir in Frau Hinrichs’ Keller versteckten. Beim Abendbrot zwinkerten wir uns verschwörerisch zu.
    Zwei Tage vor dem Abflug erreichte mich ein Anruf von Heike.
    »Wollte mich nur mal melden. Geht’s dir besser?«
    »Danke, alles wieder gut. Bei deinen Eltern war es übrigens sehr, sehr nett.«
    »Hab ich schon gehört. Deine Schwiegermutter hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.«
    »Ach, das Boßeln, ja, das hat Spaß gemacht. Und bei der Party danach ging’s hoch her.«
    »Mensch, das hab ich dir noch gar nicht erzählt. Stell dir vor, irgendein Kurt …«
    »Knut?«
    »Genau, Knut, also der war zwei Tage verschwunden. Man hat ihn dann völlig fertig in der Besenkammer vom Gasthof gefunden. Da muss ihn jemand im Suff aus Versehen eingeschlossen haben. Sachen gibt’s …«
    »Tja«, sagte ich, »die gibt’s gar nicht.«
    Ich mochte mich zum Schlitzohr gemausert haben. Im Vergleich zu Darya war ich eine blutige Anfängerin.

[home]
    22
    I ch fliege nicht gern. Ich habe keine wirkliche Flugangst, aber der Gedanke, mein Leben in die Hände wildfremder Menschen zu legen, behagt mir nicht. Weiß ich, ob der Pilot einen Clown gefrühstückt hat und auf Loopings steht? Ob der Copilot mit Rauschpilzen experimentiert? Ob der korpulente Herr neben mir bei Luftlöchern zu hysterischen Ausbrüchen neigt? Das weiß ich alles nicht, und käme mir unterwegs etwas komisch vor, könnte ich nicht sagen: »Entschuldigung, mir reicht’s jetzt. Halten Sie mal kurz an, ich steige lieber aus.«
    So hielt sich meine Vorfreude bei Reisebeginn in Grenzen. Im Grunde lagen meine Nerven schon nach dem Check-in blank. Diverse Male in den letzten Wochen hatte ich Darya darauf hingewiesen, dass jeder von uns maximal

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