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Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen

Titel: Meine russische Schwiegermutter und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fröhlich
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»Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Wieso? Das ist doch herrlich bequem. Wir müssen uns um nichts kümmern und werden vierzehn Tage verwöhnt. Also ich hab keine Lust, für alle zu kochen, Rostislav auch nicht.«
    Seit wann kochte Rostislav?
    »Und stell dir vor, Paula, es gibt sogar einen Wellnessbereich und ein Fitnessstudio, drei Pools und einen Minigolfplatz. Und die Anlage liegt direkt am Meer.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du Minigolf spielst.«
    »Ach, ich finde, im Urlaub kann man das mal machen. Und das Allerbeste ist: Wir haben richtige Appartements mit Wohn- und Schlafzimmer, drei nebeneinander. So ein Glück, dass die noch frei waren!«
    Mutter freute sich wie ein Kind. Ich sagte nichts mehr, ich wäre mir schäbig vorgekommen, ihre Euphorie zu dämpfen. Ich sah mich zwar eher als Individualtouristin, die auf eigene Faust Land und Leute erkundete, ohne Programm, ohne Anweisungen und reglementierte Essenszeiten, zu denen man unmöglich Hunger haben konnte. Durch meinen Kopf geisterten Bilder von renitenten Animateuren, die einen zwangen, an gruppendynamischen Spielchen teilzunehmen. Bestimmt musste man komische Armbänder tragen, die einen als Pauschalurlauber auswiesen, und sah sich genötigt, den ganzen Tag zu essen, nur weil alles inklusive war.
    So schlimm wird’s schon nicht werden, redete ich mir ein. Hauptsache Meer, Strand und Sonne.
    Die anderen Reiseteilnehmer reagierten unterschiedlich auf Mutters und Rostislavs Schnäppchen. Artjom entschied fatalistisch, dass ihm alles recht sei, solange er bei mir sein könne. Darya mokierte sich, dass das Hotel nur viereinhalb und nicht fünf oder besser sechs Sterne hatte. Vater stand dem Projekt »Familienurlaub« sowieso skeptisch gegenüber. Nun fragte er sich außerdem, was er, der alte Bergsteiger und Österreichfan, denn vierzehn Tage am Strand sollte.
    Alexej hatte sich schon vor Wochen fein aus der Affäre gezogen, einer musste schließlich zu Hause bleiben und all die Tiere versorgen. Außerdem pflegte er weiterhin regen Kontakt zu seinem Tierschützer und hatte ihm zugesagt, ihn bei einer Demonstration gegen Legebatterien zu unterstützen. Dieser Termin lag leider, leider in unserer Urlaubszeit. Ich vermutete, dass er den Gedanken, zwei Wochen ohne Frau Hinrichs zu verbringen, völlig abwegig fand.
     
    Ich fand es abwegig, dass Deduschka weiterhin auf unbestimmte Zeit bei uns wohnen sollte. Und mir war klar, dass ich dieses Problem allein und mit äußerstem Fingerspitzengefühl lösen musste. Von Artjom hatte ich keine Hilfe zu erwarten. Den fragilen Frieden, der zwischen uns herrschte, wollte ich nicht gefährden.
    Kurz spielte ich mit dem Gedanken, Deduschka bei Frau Hinrichs einzuquartieren. Aber erstens wusste ich nicht, wie Frau Hinrichs darüber dachte, und unser Verhältnis war nicht vertraut genug, um sie einfach zu fragen. Und zweitens zog er dann ja nur eine Tür weiter. Ich präferierte eine größere räumliche Distanz.
    Angriff ist die beste Verteidigung, dachte ich und lud Deduschka zum Mittagessen ein. Ich ließ mich nicht lumpen und führte ihn an die Elbchaussee ins Landhaus Scherrer, einen von Hamburgs Gourmettempeln. Gutes Essen stimmt bekanntlich gnädig.
    Alexej fühlte sich in der gediegen-hanseatischen Atmosphäre sofort wohl und betrachtete mit Interesse den sogenannten »Digestiftisch«, auf dem eine großzügige Auswahl an Verdauungsschnäpsen dargeboten wurde. Das freundliche Personal ließ sich nicht anmerken, ob es diesen Gast merkwürdig fand, die anderen Gäste waren zu vornehm, um laut zu tuscheln, und schenkten uns nur verstohlene Blicke.
    Zur Feier des Tages hatte Alexej den grünen Trainingsanzug abgelegt und ein neues Exemplar in einem flotten Fliederton angezogen, ein Geschenk von Frau Hinrichs. Ich war mittlerweile gänzlich unempfindlich gegenüber osteuropäischen Modesünden und dachte: Der steht ihm aber gut.
    Alexej futterte sich mit Genuss durch die verschiedenen Gänge und sagte zwischendurch immer wieder: »Härrlich, Paula, härrlich!«
    Ich suchte währenddessen nach einer geschickten Gesprächseröffnung. Nach einem erneuten »Härrlich!« sagte ich: »Ja, und das Wetter wird jetzt endlich auch wieder besser. Der Frühling bei uns ist eine herrliche Jahreszeit.«
    Alexej nickte und blickte durchs Fenster in den trüben Hamburger Himmel.
    »Da möchte man den ganzen Tag am liebsten an der frischen Luft sein«, fuhr ich fort. »Sag mal, zu Hause hast du einen großen Garten, nicht?«
    Er

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