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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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aber ich habe dich nach einer Ohrfeige auf die Toastbrotbeutel stürzen sehen.«
    »Das habe ich dir zu Gefallen getan.«
    Sie schwieg, doch ihre Erbitterung nahm ich trotzdem wahr. Wahrscheinlich hatte ihr noch niemand vom traurigen Schicksal Riccardos, genannt »Schwarzy«, erzählt.
    »Hör zu«, fing sie wieder an. »Warum hast du es getan?«
    Ich antwortete nicht.
    »Weil ich dich abgewiesen habe, stimmt’s?«
    » Abgewiesen ist ein blasser Euphemismus, Teuerste. Außerdem bin ich derjenige, der weggegangen ist.«
    »Warum hast du es getan?«, beharrte sie.
    »Das ist meine Sache«, sagte ich. Weil die Männer hier im Ort mich fürchten, fügte ich im Stillen hinzu.
    Sie seufzte. Wenn sie nicht schrie, hatte sie sogar eine schöne Stimme. »Hör mal«, sagte sie. »Wenn du dich heute Abend nicht abschlachten lässt, dann …«, sie sprach angestrengt, als ob es sie einiges kostete, »… könnten wir vielleicht Samstagabend – oder nachmittags! … könnten wir … könnte ich deine Einladung annehmen, hm, natürlich nur, wenn sie noch gilt.«
    Sie liebte mich! Ich hatte es schon immer gewusst!
    »Deine Almosen brauche ich nicht. Ich habe gehört, was du heute gesagt hast, und bin immer noch überzeugt, dass du eine feige Memme bist, die sich mit Feiglingen umgibt. Aber das ist mir scheißegal. Denn ich bin kein Feigling. Und heute Abend gehe ich dorthin, koste es, was es wolle.« Das hatte gesessen. Ich schoss doch wahrhaftig nie daneben.
    »Geh nicht«, sagte sie.
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Doch!«
    »NEIN, und jetzt leg ich auf.«
    Ich hörte einen Bodensatz Angst in ihrer Stimme, als sie ausrief: »Du bist ja so was von hirnamputiert!« Und sie legte wirklich auf.
    »Auf jeden Fall setzt du dich mit uns an den Tisch!«, sagte der Chef. Er war kurz davor, einen Sohn zu verlieren, und sorgte sich bloß um die Etikette. Was für ein Arsch.
    Ich musste gehorchen. Während meine Mitbewohner – denn inzwischen blickte die Topmanagerin schon zufrieden über ihren »Erwerb« in die Runde – aßen und sich zwischen zwei Gängen zulächelten, guckte ich ein bisschen fern.
    Ich nahm einen Apfel und schälte ihn: das letzte, frugale Mahl eines Todeskandidaten. Wie das Ehepaar Rosenberg fühlte ich mich, die »Kommunisten« in dem Film Daniel mit dem damals noch großartigen Timothy Hutton.
    Aber all meine cineastischen Kenntnisse würden mich nicht retten. Ich musste mir überlegen, wie ich meine rohen Körperkräfte einsetzen konnte, nicht meine Leidenschaften. Meinen rechten Haken, keine Kamerafahrt von Martin Scorsese.
    Und es ging gegen das Sportidol der Stadt, diesen Tony Champion, dem ich bloß ein beschissenes Motorrad zerkratzt hatte. Vielleicht könnten wir die Sache ja mit Worten klären. Vielleicht …
    »Was ist bei dir nicht in Ordnung?«, fragte der Chef.
    Ich zuckte mit den Achseln. Verschlang noch einen Apfel in wenigen Bissen. Als ich fertig war, klebten drei Augenpaare an mir.
    »Wie gut, dass du keinen Hunger hast!«, schmunzelte Virginia.
    Sie waren fertig.
    »Kann ich jetzt aufstehen?«, fragte ich den Chef.
    Ohne seine Erlaubnis abzuwarten, ging ich hinauf in mein Zimmer, um eine Zigarette zu rauchen. Ich setzte mich aufs Bett wie an dem Morgen nach der Prügelei mit Schwarzy, als ich unschlüssig war, ob ich in die Schule zurückgehen oder für immer verschwinden sollte. Damals war die Geschichte völlig unerwartet ausgegangen: Schwarzy im Krankenhaus, der Schulverweis, mein Rückzug … Alles in allem ein Erfolg.
    Jemand klopfte an die offene Tür. Der Chef.
    »Darf man eintreten?«, fragte er beim Hereinkommen.
    Ich sah auf die Uhr. Noch eine Stunde. Trotzdem sagte ich: »Ich wollte gerade weggehen.«
    Er setzte sich neben mich, die Bettfedern knarzten. »Was für ein Schweinestall«, sagte er leise, während er sich umblickte. Nach einer Weile fragte er: »Stimmt irgendwas nicht?«
    »Alles in Ordnung.«
    Ich hörte den zu lauten Fernseher von unten. Und das scharfe Klacken von Vìs Absätzen auf dem Boden, den Austausch von Herzensergießungen mit meiner Schwester, die Art, wie die beiden zusammen lachten.
    »Du wirkst ein bisschen nervös«, sagte er. »Wenn du reden willst …« und damit brach er den Satz ab.
    Papa Bill Cosby. Du kannst mich mal. Wann hatte er sich zum letzten Mal für meinen körperlichen oder seelischen Zustand interessiert?
    »Vergiss es«, sagte ich.
    Was erwartete er denn? Dass ich ihm sagte: »In wenigen Stunden wirst du die Polizei benachrichtigen müssen, denn

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